Was ist nachhaltige Landwirtschaft?
Erster Teil – Nährstoffbilanzen und klimarelevante Spurengase
Einleitung
Die Ernährung der Weltbevölkerung erfolgt auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, auf Ackerflächen und Grünland, daher der Begriff Landwirtschaft. Eine nicht landgebundene Nahrungsmittelerzeugung kann es aus Gründen der Rohstoff- und Energiebewirtschaftung allenfalls für wenige Sonderkulturne geben (Beispiel: Glashauskultur von Tomaten auf Kunstsubstrat mit Nährlösung).
Eine Bewirtschaftung ist dann nachhaltig, wenn diese langfristig stabil geführt werden kann. Der Gegensatz dazu ist kurz- oder mittelfristiges Wirtschaften.
Die heutige Landwirtschaft in Deutschland und in der Europäischen Union (EU) ist nicht nachhaltig!
Zur Eiweißfütterung in der Schweine- und Geflügelhaltung, in der Milcherzeugung und Rindermast sind die EU- und vor allem die deutsche Landwirtschaft auf umfangreiche Sojabohnenimporte aus Afrika, Nord- und Südamerika angewiesen. Rund 34 Millionen Tonnen Sojabohnen werden jährlich in die EU eingeführt. Dieser Import letztlich von Eiweiß führt zu den Überschüssen in der Stickstoffbilanz auf landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland, die sich im Mittel aller landwirtschaftlichen Nutzflächen auf rund 100 Kilogramm Stickstoff (N) jährlich belaufen. Dieser Überschuss wird letztlich als Ammoniak in die Atmosphäre abgegeben und versauert und euthrophiert dort Wälder und Naturflächen, er wird als Nitrat ausgewaschen und taucht dann im Grundwasser auf, oder er wird als N2 oder Lachgas (N2O) in die Atmosphäre abgegeben. Lachgas ist ein effizientes Treibhausgas.
Der Sojaimport wirkt sich aber nicht nur auf die Stickstoffüberschüsse aus, ein anderer, noch gravierender Aspekt der Landwirtschaft weltweit wird damit beeinflusst:
Von den sechs mineralischen Pflanzenhauptnährstoffen, die aus dem Boden aufgenommen werden, nämlich Stickstoff (N), Calcium (Ca), Kalium (K), Magnesium (Mg), Schwefel (S) und Phosphor (P) sind die weltweiten P-Reserven, die für die Herstellung von Düngemitteln geeignet sind, stark begrenzt. Schätzungen gehen von Reserven aus, die in 30 bis 100 Jahren erschöpft sind (Cordell et al. 2013).
Mit dem Importsoja werden hohe Mengen an P aus den Exportländern in die EU importiert. In Deutschland werden jährlich ca. 85.000 Tonnen an P in Form von Düngemitteln ausgebracht, dazu rund 20.000 Tonnen P die aus den Sojaimporten stammen.
Es ergibt sich also eine Situation, in der durch die Sojaexporte tropischen und subtropischen Böden P entzogen und in die ohnehin schon reichlich versorgten europäischen Böden eingetragen wird. Mittelfristig wird das Ertragspotential der Böden der Exportländer gravierend reduziert, P-Mangel der Pflanzen ist heute schon dort ein erheblicher Faktor, während es hier zu einer P-Anreicherung kommt, die nicht produktiv ist, sondern mittlerweile in viehreichen Gebieten, z.B. in Niedersachsen oder in den Niederlanden zur P-Auswaschung aus den Böden führt.
Die industrielle, exportorientierte Massentierhaltung in Europa ist aber auf weiter steigende Sojaimporte angewiesen. Das System ist weder hier noch in den Soja-Anbauländern nachhaltig.
Dies gilt auch, wenn „Bio-Soja global transportiert wird.
Aus demselben Grund ist eine Landwirtschaft mit einer weiträumigen Trennung von Ackerbau und Tierhaltung nicht nachhaltig.
Damit ist aber nur ein Aspekt fehlender Nachhaltigkeit der Landwirtschaft beschrieben.
Andere Aspekte sind: umfangreicher, prophylaktischer Einsatz von Antibiotika in der Schweinemast, Geflügelfütterung mit der Herauszüchtung von resistenten Bakterienstämmen, umfangreicher Einsatz von Pestiziden im Ackerbau, obwohl die Folgen der Persistenz und der gebundenen Rückstände im Boden weitgehend unklar sind, Verzicht auf eine geordnete Humuswirtschaft, mit der Folge von Wind- und Wassererosion im Ackerbau und physikalische Verdichtung der Böden durch schwere Maschinen.
All diese Aspekte zwingen zur Feststellung, daß der Status quo der Landwirtschaft auch in Deutschland nicht nachhaltig im Sinn einer langfristigen Produktivität ist.
Wie kann in Zukunft nachhaltige Landwirtschaft in Deutschland aussehen?
Dazu wechseln wir den Blick von den Stoff- und Energiebilanzen zu den sozio-ökonomischen Bedingungen nachhaltiger Erzeugung.
Nachhaltig, also langfristig ist eine Landwirtschaft, die über Generationen stabil ist. Die einzige sozio-ökonomische Struktur, die diese Bedingung erfüllt ist die bäuerliche, familienbasierte Landwirtschaft. In den Familienbetrieben erfolgt der Übergang von Generation zu Generation über Familienbande in einer Kontinuität der Wissens- und Kompetenzvermittlung, die durch andere Betriebsformen nicht gewährleistet wird. Sind alle Familienbetriebe nachhaltig? Sicher nicht, aber Familienlandwirtschaft erscheint als notwendige wenn auch nicht hinreichende Bedingung nachhaltigen Wirtschaftens.
Der politische Angriff auf die Familienbetriebe erfolgt heute von drei Seiten: einerseits von den Vertretern eines agrarindustriellen, export-orientierten Wirtschaftens, andererseits von Lobbyisten einer kollektiven Landbewirtschaftung, die aus dem Bereich der LPG- Nachfolger in Ostdeutschland kommen sowie von westdeutschen NGOs die Bäuerlichkeit und Familienbetriebe rhetorisch zu trennen versuchen.
Familienbetriebe, die über Generationen hinweg denken und handeln, zeichnen sich dadurch aus, daß die Bewirtschaftung nicht auf kurzfristig hohe Gewinne zielt, sondern auf ein langfristig stabiles Betriebs- und Familieneinkommen. Dort, wo Landwirtschaftsbetriebe in größerem Umfang gehandelt werden, gekauft und verkauft werden, geht es um kurzfristige Rentabilität oder um landwirtschaftliche Betriebe als sichere Vermögensanlage. Dies ist vor allem in Ostdeutschland mit der Dominanz juristischer Personen in der Landwirtschaft der Fall, wo externe, nichtlandwirtschaftliche Investoren zum Teil mehr als 50% der landwirtschaftlichen Nutzfläche in ihrem Eigentum haben. In Westdeutschland werden selbst dann, wenn Familienbetriebe die Bewirtschaftung aufgeben, die zugehörigen Eigentumsflächen in der Regel nicht verkauft, sondern nur weiter verpachtet. Dies bedeutet ein Potential zur Wiedererrichtung bäuerlicher Betriebe.
Stoffkreisläufe mineralischer Pflanzennährstoffe
Eine nachhaltige Landwirtschaft basiert auf langfristigen Stoffkreisläufen.
Trotz der P-Knappheit wird P weltweit von den P-bedürftigen Standorten der Tropen und Subtropen mittels der Sojatransporte zu den Regionen mit hoch bis sehr hoch mit P versorgten Böden transportiert.
Geschlossene oder weitgehend geschlossene Nährstoffkreisläufe erfordern die Verbindung von Ackerbau und Tierhaltung. Die Entkopplung beider ist jedoch im Rahmen der Spezialisierung der Betriebe die dominierende Entwicklung und wird bis heute von Politik und Offizialberatung über Jahrzehnte gefördert.
Eine Alternative schien sich mit der Entwicklung des ökologischen Landbaus anzubahnen. Kreislaufwirtschaft war ein ursprüngliches Ziel dieser Bewirtschaftung. Bodennutzungssysteme, bei denen Futterbau mit Klee/Luzerne-Grasgemengen in der Fruchtfolge eingebaut sind, erfüllen genau diese Bedingungen teilgeschlossener Kreisläufe. Bodennutzungssysteme mit Kleearten oder Luzerne als tragendem Bestandteil der Fruchtfolge nutzen gleichzeitig das Potential der Leguminosen, den Stickstoff der Luft in einer pflanzenverfügbaren Form zu binden und im Rahmen der Fruchtfolge auch anderen Kulturen zur Verfügung zu stellen. Deswegen verzichtet der ökologische Landbau vollständig auf mineralische Stickstoffdünger, die N in Form von Ammoniak, Nitrat oder Harnstoff bereitstellen. Der konventionelle Landbau hingegen basiert auf solchen mineralischen N-Düngern. Der Energieverbrauch bei der Herstellung mineralischer N- Düngemittel macht über 50 Prozent des Energiebedarfs der pflanzenbaulichen Produktion aus. Wenn langfristig Energie ein knappes Gut ist (s. dazu Hoof, 2018), so ist der weiträumige Einsatz von Leguminosen allein schon aufgrund der Energieeinsparung geboten.
Allerdings sind mittlerweile die EU-Regeln zum Öko-Landbau so formuliert, daß ökologisch wirtschaftende Betriebe einen Teil des N- Bedarfs der Kulturen über den Import durch konventionelle organische Düngemittel decken können. In der Folge gibt es heute viele reine Bio- Ackerbaubetriebe, deren Anteil von Klee/Luzerne-Grasgemenge an der Fruchtfolge unter 20 Prozent, teilweise unter 10 Prozent ist.
Landwirtschaft und klimarelevante Spurengase
Die drei hier relevanten Spurengase sind Kohlendioxid, Lachgas und Methan.
Der gegenwärtige, extrem reduzierte öffentliche Diskurs um die anthropogen bedingten Klimaveränderungen erfolgt etwa so, daß die Diskussion um Methan damit erledigt wird, daß deswegen die Tierhaltung, d.h. der Fleischverzehr reduziert werden müsse und daß im Übrigen zur Reduktion der CO2-Konzentration der Atmosphäre die Verbrennung fossiler Energieträger reduziert oder ganz einzustellen sei. Für die Verbrennung von Kohle wurde dazu das Jahr 2035 als präzises Enddatum bestimmt. Dieses Bild, das auch die medial inszenierten Demonstrationen von Jugendlichen bestimmt, lässt jedoch die Rolle der Landwirtschaft und auch die Rolle der Forstwirtschaft fast vollständig außen vor.
Die Landwirtschaft nimmt über die Bodenbewirtschaftung Einfluss auf die Methan-Bilanz. Böden absorbieren Methan. Dabei ist das Potential zur Absorption dann höher, wenn das N-Niveau eher niedrig ist. Ebenso sind die Lachgasemissionen niedriger, wenn das Niveau an gelöstem Nitrat im Boden niedrig ist. Beides ist eher der Fall in ökologischen Bodennutzungssystemen ohne Düngung von mineralischem N.
Und für Kohlendioxid in der Atmosphäre gilt, daß dessen Konzentration nicht allein von der Verbrennung fossiler Energien abhängt. Der Boden land- und forstwirtschaftlicher Flächen und von Ödland enthält als organisch gebundenem Kohlenstoff, Humus, das drei bis Fünffache des Kohlenstoffs der Luft (Gerke, 2019b). Und tatsächlich stammen rund 50 Prozent des Kohlenstoffs in der Atmosphäre, der zur Erhöhung der CO2– Konzentration geführt hat, aus den Böden, der Rodung des Waldes, dem Umbruch und der ackerbaulichen Nutzung von Steppen, Savannen und anderem Grasland. All dies führt zum Humusabbau und zur Freisetzung von Kohlendioxid, das in die Luft abgegeben wird.
Auch in dieser Hinsicht ist die Einfügung von Luzerne-Klee-Gras-Jahren im Rahmen von Fruchtfolgen positiv. Wie kein anderes Instrument erhöhen solche Futterbaujahre den Gehalt an organischer Bodensubstanz, ziehen das CO2 aus der Luft und binden das C in der organischen Bodensubstanz (s. Gerke, 2019a,b).
Schlussfolgerungen
Die gegenwärtige Landwirtschaft in der EU und in Deutschland ist nicht nachhaltig, wie vor allem am Beispiel der globalen P- Ströme gezeigt wurde.
Mehr noch, die Entwicklung der Sojaimporte oder das Ignorieren der Bedeutung von Klee/Luzerne-Fruchtfolgegliedern selbst im ökologischen Landbau, im politischen und medialen Diskurs zeigt, daß es im Kontext der Landwirtschaft weder um Nachhaltigkeit, noch um Klimaschutz oder um Ernährungssicherung geht.
Der Schutz der Politik gilt stattdessen agrarindustriellen Produktionsweisen und agrarindustriellen Eigentumsstrukturen in der Landwirtschaft.
Bäuerliche Landwirtschaft ist jedoch keine romantisierte Lebensweise, sondern eine sachliche Notwendigkeit für die Zukunft.
Literatur
Cordell and White (2013), Agronomy, 3, 86- 116.
Gerke, ostdeutsche-bodenpolitik.de. Der Boden als Kohlenstoffspeicher, Juli, 2019.
Gerke, J. (2019): Der Boden als Kohlenstoffspeicher. Tumult, Winter.
Hoof, T. (2018): Immer weniger vom mehr. Tumult Sommer.
Abb. 1. Wüchsiger Weißkleebestand mit Rindern. Basis einer nachhaltigen Landwirtschaft.
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