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Die Naturwissenschaften im Würgegriff von Politik und Medien

II. Der “Klimaschutz” in Deutschland 

Zusammenfassung

Während politisch am Ausstieg aus der Nutzung von Öl, Kohle und Gas gearbeitet wird, vermeintlich aus „Klimagründen“, ist gleichzeitig die Industrialisierung der Landwirtschaft, auch des organischen Landbaus Ziel aller politischen Bemühungen. Der Boden ist ein bedeutendes Feld für den weltweiten CO2-Haushalt. Er kann Kohlenstoff binden aber auch freisetzen. Eine noch im Jahr 2000 ausgeglichene Bilanz für die Treibhausgasemissionen aus den europäischen Böden ist Vergangenheit. Doch dieses Feld wird politisch wenig beackert. Dabei führt vor allem die Industrialisierung der europäischen Landwirtschaft zu einer Nettotreibhausgasemission aus den landwirtschaftlichen Böden, die den Effekt der Reduktion der fossilen Energieverbrennung mittlerweile übersteigt. Gerade der Anbau der Energiepflanzen, Mais und Raps führt zu einem Anstieg der Emissionen von Kohlendioxid und vor allem Lachgas und Methan aus Böden. Die angekündigte Energiewende kann deswegen zu einem Zuwachs an Treibhausgasemissionen in Europa führen. Die Rolle der Naturwissenschaftler in diesem Spiel besteht aus ein bißchen leiser Kritik, im besten Fall Forschung zum Status quo und vor allem gnadenlose Anpassung an die Form und den Inhalt des politisch-öffentlichen Diskurses zum „Klimaschutz“        

Einleitung

Die aktuelle SPD/Grüne/FDP-Bundesregierung hat ein 200 Milliarden Paket zum Klimaschutz innerhalb der nächsten vier Jahre angekündigt.

Ein Argument gegen ein solches Paket lautet, daß Deutschlands Beitrag zu den weltweiten Treibhausgasemissionen mit 2 bis 2,5 % eher gering ist, während die Schwellenländer allein in den nächsten Jahren so viele Kohlekraftwerke weltweit bauen, daß dies ein Vielfaches der deutschen Emissionen ausmachen werden. Die Befürworter dagegen bestehen auf einer deutschen Vorreiterrolle.

Im Folgenden wird gezeigt, daß es bei der deutschen Klimaschutzpolitik nicht um die Reduktion der Emission von Treibhausgasen geht. Dazu wären andere Maßnahmen notwendig. Die Politik der Bundesregierung verwirklicht hingegen im Rahmen der Klimapolitik auch Ansätze, die die Treibhausgasemission erhöhen.

Es wird beschrieben, inwiefern sich Naturwissenschaftler den polit-medialen Imperativen gebeugt haben, sei es aus Anbiederung an den politischen Druck oder sei es aus Inkompetenz.

Einige kritische Anmerkungen zur „Klimadiskussion“ insgesamt.

1. Wenn es in der Diskussion tatsächlich um die Reduktion der Emission von Treibhausgasen vor allem Kohlendioxid, daneben mit deutlich geringerer Bedeutung Lachgas und Methan ginge, so würden alle verfügbaren Techniken auf ihre Freisetzung von Treibhausgasen in der Anwendung geprüft. Genau das aber erfolgt nicht. Es würde nämlich bedeuten, daß für die Erzeugung elektrischer Energie durch Sonne, Wind und Biomasse eine volle Analyse der Treibhausgasemissionen durchgeführt würde, die auch die Herstellung von Windkraftanlagen, Solaranlagen und Biogasanlagen mit einbezieht, deren Energiebilanz und den Verbrauch von teilweise knappen Rohstoffen. Auch würde die Energiebilanz von Elektroautos nicht erst ab der Steckdose erfasst und der Energieverbrauch bereits bei der Produktion von Elektroautos würde mit einbezogen. Elektroautos und ihr Betrieb werden aber als treibhausgasfrei definiert.

2. Der Einsatz von Holz zum Heizen stellt eine in besondere Weise erneuerbare und dezentrale Art der Energiegewinnung dar. Das verwendete Holz wird in der Regel regional gewonnen, verarbeitet und stellt im Wesentlichen Abfallholz dar, das zu einer anderen Verwendung wie als Bauholz oder Möbelholz nicht geeignet ist. Dieses Holz würde, wenn es nicht zur Energiegewinnung geerntet würde, im Wald verrotten, d.h. es würde von Mikroorganismen, Pilzen und Bakterien abgebaut und es entstände dabei Kohlendioxid, ebenso wie bei der Verbrennung im Kamin. Das Abfallholz kann aber Öl, Gas oder Kohle zur Heizung ersetzen. Dennoch wird das Heizen mit Holz erschwert, vermutlich spätestens seit der deutschen Bundesregierung unter Merkel und Gabriel als Wirtschaftsminister klar wurde, daß das Heizen mit Holz einen quantitativ bedeutsamen Umfang angenommen hat und vor allem auf dem Lande eine dezentrale, kostengünstige Alternative darstellt. Unter dem Vorwand des Emissionsschutzes wurden Reglementierungen eingeführt, die ersichtlich nur das Ziel haben, diesen nachhaltigen und erneuerbaren Brennstoff zurückzudrängen.

Das EU-Parlament hat im September 2022 beschlossen, daß Holz nur noch bedingt nachhaltig ist. Damit hatte es einen weitergehenden Vorschlag, Holz als nicht nachhaltig zu klassifizieren, zwar zurückgewiesen, aber eben doch im Kern nachgegeben. Eine der deutschen, sehr regierungsnahen Lobbyorganisationen, der NABU ließ über ihren Bundesgeschäftsführer Leif Miller sogar verbreiten, daß die Verbrennung von Holz schädlicher sei, als die von Kohle. Weit und breit gibt es heute keine anwendungsorientierten Naturwissenschaftler, keine Forstwissenschaftler, die diesen durch das EU-Parlament beschlossenen Unsinn zurückweisen und widersprechen. Dies kann daran liegen, daß es keine wissenschaftliche Stimme mehr gibt, die diesen Unsinn widerlegen kann, oder aber, daß diese in den Medien wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Spiegel, Zeit und den Tageszeitungen kein Gehör findet.

Dabei hätte der NABU- Bundesgeschäftsführer nur auf NABU-eigene Expertise zurückgreifen müssen. Im Jahre 1995 veröffentlichte Wilhelm Bode, studierter Forst- und Rechtswissenschaftler, Leitender Ministerialrat im saarländischen Wirtschaftsministerium und damals Bundessprecher Wald des Naturschutzbundes (NABU) Deutschland ein Buch zur Waldwende (Bode und von Hohnhorst, 1995). In diesem Buch, mit dem sich Bode damals sicher keine Freunde unter seinen Ministerialkollegen machte, beschrieb er, wie nachhaltige Waldbewirtschaftung aussehen kann, und wie sie schon im einigen Forsten praktiziert wird. Statt Altersklassenwald mit Kahlschlag ein Dauerwald mit Bäumen verschiedenen Alters, in dem immer nur ein kleiner Teil geschlagen wird. Aber das hat weitgehende Implikationen wie den Verzicht auf überschwere Harvester und den Einsatz von Rückepferden.

Der Entschluss des EU-Parlaments wie auch die aktuelle Stellungnahme des NABU als einer NGO mit hoher staatlicher Alimentierung geht an den wirklichen Problemen der Waldbewirtschaftung vorbei. Auf lange Sicht ist Holz eine der wenigen, nachhaltigen Energierohstoffe.

3. Die Erzeugung von Biogas in der Landwirtschaft und Strom aus Biogas kann auf der Basis von den Wirtschaftsdüngern Stallmist oder Gülle. Diese Form der Gasgewinnung ist nachhaltig und führt zu keiner zusätzlichen Emission von Treibhausgasen. Aufgrund der Notwendigkeit einer hohen Energiekonzentration im Gärsubstrat ist Silomais mit einem hohen Gehalt an leicht vergärbaren Kohlenhydraten als wichtigste Komponente der Substrate unverzichtbar. Die energetische Ausbeute von Biogasstrom aus Maissilage basierten Gärsubstraten ist aber denkbar schlecht, nämlich umgerechnet benötigen 1,4 Energieeinheiten im Biogasstrom 1 Energieeinheit an Vorleistung. Das liegt daran, daß alle Teilprozesse zur Maiserzeugung und Ernte sehr energieaufwendig sind, von der hohen Düngung mit mineralischen Stickstoffdüngern zu Mais, über die energieintensive Ernte durch Maishäckseln und der transportaufwendigen Einlagerung, die umso bedeutsamer ist, je größer die Biogasanlage ist. Unter ungünstigen Bedingungen kann der Energiebedarf der Maiserzeugung so hoch werden, daß die zur Produktion benötigte Energie höher ist, als die im Strom bereitgestellte Energie. Dazu kommen noch weitere Effekte der erhöhten Netto- Freisetzung der Treibhausgase Lachgas und Methan beim Maisanbau. Diese Form der Stromerzeugung wird durch aktuelle politische Entscheidungen nochmals verstärkt gefördert oder durch Deregulierung erleichtert. Am 28.09.2022 wurden die baurechtlichen Begrenzungen der Biogaserzeugung ausgesetzt, am 07.10.2022 gab nach dem Bundestag auch der Bundesrat grünes Licht für eine Steigerung der Biogaserzeugung. Gerade große Anlagen, die, aufgrund der notwendig langen Maistransportwege besonders energieintensiv sind, werden also in Zukunft verstärkt gebaut werden. Kritische Anmerkungen von NGOs oder Naturwissenschaftlern zu diesen Beschlüssen gibt es nicht, die öffentliche Diskussion zu diesen direkt Nachhaltigkeits-adversen Beschlüssen ist ebenfalls nicht existent. Daß aber diese Form der Ausweitung der Biogaserzeugung noch weitergehende Effekte auf die Emission von Klimagasen hat, wird weiter unten gezeigt.

Die drei diskutierten Punkte, 1. die fehlende Erfassung der Treibhausgasemission für die Erzeugung von Energie durch Wind, Sonne und Biomasse, sowie für die Elektromobilität, 2. die Einstufung von Holz als nur noch bedingt regenerativ und 3. die zusätzliche Förderung der Biogasproduktion beweisen, daß es beim „Klimaschutz“ nicht um die Verminderung der Treibhausgasemission geht.

Es könnte vermutet werden, daß Inkompetenz in diesem Netzwerk von Politik, Medien und NGOs (die heute in ihrer überwiegenden Mehrheit keine Nichtregierungsorganisationen sind und erst Recht keine Pfeiler einer Zivilgesellschaft, nicht zuletzt deswegen, weil diese Organisationen von den Regierungen in hohem Maße finanziert werden) aufgrund der fehlenden Expertise von kompetenten Naturwissenschaftlern und nicht nur aufgrund korrupter Strukturen solche katastrophalen Ergebnisse erzeugt.

Es gehört aber ein weiterer, überaus wichtiger Baustein, zu diesem Bild: Die wachsende Inkompetenz von Naturwissenschaftlern selbst in den Disziplinen, die politisch besonders beeinflusst werden. Und dazu gehören zweifellos die Disziplinen, die direkt oder indirekt mit der „Klimadiskussion“ befasst sind. Über den Bereich der organischen Bodenchemie, der Pflanzenernährung und des Acker- und Pflanzenbaus wird im Folgenden zu handeln sein. Der Boden ist weltweit der bei weitem größte Kohlenstoffspeicher in Form organischer Verbindungen und dieser Kohlenstoffspeicher entscheidet in hohem Maße darüber, ob die Kohlendioxid-Konzentration der Luft steigt oder sinkt und welches Ausmaß die Nettoemission weiterer Treibhausgase wie Lachgas und Methan entwickeln.

Woher stammen die Treibhausgasemissionen?

Wenn die politisch Verantwortlichen ein Ziel vorgeben, hier den „Klimaschutz“, dann muß das Ziel operationalisierbar gemacht werden, im vorliegenden Fall dadurch, daß die Emission der klimarelevanten Spurengase, an erster Stelle Kohlendioxid, dann Lachgas und auch Methan weltweit reduziert werden um deren Konzentrationen in der Luft zu reduzieren. Dabei ist Kohlendioxid das dominierende Gas. Für den „Klimaschutz“ und die Förderung „regenerativer Energien“ gibt es seit zwanzig Jahren Förderprogramme für Windanlagen, Solarflächen und die Erzeugung von Biogas. Es gibt auch seit einigen Jahren Ausstiegsprogramme aus der fossilen Energieverbrennung, für die Abschaltung von Kohlekraftwerken und für ein Verbot von Benzin- oder Diesel-PKW.

Diese weitreichenden politischen Restriktionsprogramme zum Einsatz fossiler Brennstoffe in Deutschland und in der EU, die im Übrigen denen der US- amerikanischen Politik ähneln, gehen von der Annahme aus, daß die Erhöhung der Treibhausgas-Konzentration der Luft vor allem auf die Verbrennung fossiler Energien zurückzuführen ist. Diese Annahme ist falsch!

Die Böden weltweit speichern hohe Mengen an Kohlenstoff (C) vor allem in organischer Form (Stevenson, 1994; Batjes, 2016). Böden enthalten mehr C als die Atmosphäre und die Vegetation weltweit zusammen (Weber et al., 2018).

Die Daten zur Dominanz der Böden als weltweiter C- Speicher liegen seit mehr als vier Jahrzehnten vor (z.B. Bolin, 1977).

Eine Rolle bei der Reduktion von Treibhausgasemissionen spielten die Böden in den politischen Entscheidungen zum „Klimaschutz“ bisher nicht. Wissenschaftler haben in den letzten Jahren dazu vor allem Inventarisierung betrieben, also die Messung und Kartierung der C-Gehalte z.B. in Deutschland durch das dem Bundeslandwirtschaftsministerium unterstehende Thünen-Institut in Braunschweig (Jakobs et al., 2018). Wissenschaftliche Untersuchungen zur Nettoemission von Kohlendioxid aus Böden sind politisch folgenlos. Inventarisierung durch Wissenschaftler statt Handeln, als Politikmaxime in einem politischem Tabubereich? Geringe Veränderungen im C-Gehalt von Böden können aber zu hohen Veränderungen in der Kohlendioxid-Konzentration der Luft führen.

Zu der Bedeutung der Böden für die Kohlendioxidemission in die Luft gibt es schon aus dem Jahr 2001 einen Übersichtsartikel von Michael Hayes und Mitarbeiter, die darauf hinweisen, daß die Kohlendioxid-Nettofreisetzung aus Böden um den Faktor 10 höher ist, als die Freisetzung aus der fossilen Energieverbrennung (Hayes und Clapp, 2001). In einem neueren Übersichtsartikel berechnen Oertel et al. (2016) aus weltweit zusammengetragenen Daten, daß die jährliche Kohlendioxid-Nettofreisetzung aus Böden weltweit um den Faktor 10 höher ist [350 kg C *1012], als die weltweite, jährliche Kohlendioxidfreisetzung durch Verbrennung fossiler Energien [33,4 kg C *1012].

Warum ist die Freisetzung von Kohlendioxid aus Böden weltweit so hoch?

Es geht dabei um die kultivierten, bewirtschafteten Böden, also um land- und forstwirtschaftlich genutzte Böden. Zum einen ist Waldrodung oder Kahlschlag dabei von großer Bedeutung, zum anderen ist es eine nicht-nachhaltige Art der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung, die zur vermehrten Freisetzung von Kohlendioxid aus Böden führt. Mit der noch darüber hinausgehenden Industrialisierung der Landwirtschaft steigt dann noch zusätzlich die Emission weiterer Treibhausgase wie Lachgas und Methan an.

Wenn Wald gerodet wird, z.B. um die Waldfläche in eine andere Bewirtschaftung zu überführen, so werden die aufgewachsenen Hölzer in der Regel genutzt, zum Beispiel als Möbel- oder Bauholz. Aber, da keine schützende Vegetationsschicht auf dem entwaldeten Boden mehr vorhanden ist, fehlt der Eintrag organischer Substanz in die Böden durch Laub, abgestorbene Äste, absterbende Wurzeln. Es wird keine zusätzliche organische Bodensubstanz mehr gebildet und die vorhandene Bodensubstanz wird durch Bodenmikroorganismen abgebaut und letztlich zu Kohlendioxid umgewandelt, das dann in die Luft abgegeben wird. Dieser Abbauprozess ist besonders stark ausgeprägt im tropischen Regenwald, wo nach Rodung des Waldes die organischen Bodensubstanz aufgrund idealer Abbaubedingungen wie hoher Wassergehalte und hoher Temperatur innerhalb von ein bis zwei Jahren vollständig verschwunden sein kann.

Es handelt sich dabei um hohe Mengen an Kohlenstoff, die dann als Kohlendioxid in die Luft abgegeben werden.

Beispiel: Wenn ein tropischer Waldboden vor der Rodung in den ersten 20 cm 2% Kohlenstoff in organischer Form enthielt und dieser nach Rodung vollständig abgebaut wird, so können rund 50 t C als rund 180 t Kohlendioxid von jedem gerodeten Hektar (10.000 m2) tropischen Waldboden freigesetzt werden. Etwas Ähnliches passiert in gemäßigten Klimaten nach Kahlschlag, wenn auch in deutlich abgeschwächtem Ausmaß. Wie unter mitteleuropäischen Bedingungen Kahlschlag vermieden werden kann, beschreiben Bode und von Hohnhorst (1995) und zeigen auf Beispiele von Forstbetrieben, die diese Form der naturnahen Bewirtschaftung erfolgreich hinsichtlich der geernteten Holzmenge, ihrer Qualität und hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit praktizieren. Eine öffentliche Diskussion von z.B. Forstbodenkundlern hinsichtlich einer veränderten Waldbewirtschaftung und der Emission von Treibhausgasen findet nicht statt, jedenfalls nicht in einem Maße, das der Bedeutung des Themas gerecht ist. Das kann drei Ursachen haben, zum einen werden in diesem Thema bewanderte Wissenschaftler ignoriert, zum anderen gibt es möglicherweise eine Art von universitärer Fehlentwicklung in der wissenschaftlichen Ausbildung, oder es ist ein medial-öffentliches Tabuthema.

Die landwirtschaftliche Bewirtschaftung von Böden bedeutet in der Regel einen noch größeren Eingriff in die Böden, als die forstliche Bewirtschaftung. Die Art der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung entscheidet deswegen in hohem Maße darüber, wie hoch die Emission von Treibhausgasen weltweit aus Böden ist. Die ackerbauliche Nutzung von Grünland, Steppe, Savanne und Prärien im Zuge des weltweiten Bevölkerungsanstiegs hat zum umfangreichen Abbau organischer Substanz, der Freisetzung von Kohlendioxid daraus und der Abgabe in die Luft geführt. Vermutlich ist das der wichtigste Einzelprozess, der zum Anstieg der Kohlendioxidkonzentrationen in der Luft geführt hat.

Die polit-mediale Erzählung in den westlichen Industriestaaten konzentrierte sich auf die fossile Energieverbrennung. Das lässt zwei Schlussfolgerungen zu, zum einen sollte die thermische Nutzung fossiler Energien unterbunden werden und zum anderen soll die Treibhausgas-intensive Art der Landbewirtschaftung in den westlichen Industriestaaten nicht infrage gestellt werden. Die weitgehende Tabuisierung der Treibhausgasemissionen aus landwirtschaftlich genutzten Böden war lange Zeit nur möglich, weil die maßgebenden Naturwissenschaftler sich den politischen Imperativen in dem Bereich weitgehend gebeugt haben.

Seit dem Pariser Klimaabkommen von 2016 hat sich die Situation geändert. Im Rahmen dieses Abkommens wurde für Böden das 4-Promille-Ziel ausgegeben. Dies besagt, daß die Bodenbewirtschaftung so zu erfolgen hat, daß der Boden jährlich vier Promille zusätzlich an Kohlenstoff (C) bindet, bezogen auf den im Boden schon vorhandenen Gehalt an organischem C (s. z.B. Minasmy et al., 2017; Rumpel et al., 2018; Wiesemeier et al., 2020).

Im Folgenden wird auf die naturwissenschaftliche Diskussion dieses Pariser Klimazieles eingegangen.

Das Pariser Klimaziel zeigt in Hinsicht auf die Böden eine gewisse wissenschaftliche Hilflosigkeit. Warum politisch die Bindung von zusätzlichem Kohlenstoff im Boden an die schon im Boden gebundene C-Menge geknüpft wird, ist aus bodenchemischer Sicht nicht zwingend.

Im Jahr 2017 hat eine Gruppe von 34! Naturwissenschaftlern das 4-Promille-Ziel für unterschiedliche Regionen in der Welt diskutiert. Neben Zwischenfruchtanbau, und organischer Düngung wird im abschließenden Abschnitt die Bedeutung „Disruptiver Technologien“ für die Erhöhung der Boden-C-Gehalte betont (Minasmy et al., 2017). „Disruptive Technologien“ ist ein durch und durch politisierter Begriff und hat in einer naturwissenschaftlichen Arbeit nur dann einen Platz, wenn ausdrücklich auf den politisierten Gehalt hingewiesen wird.

Statt sich auf „Disruptive Technologien“ als Problemlöser für die C-Speicherung in Böden zu konzentrieren, sollte das zusammengehörige Wissen von Acker- und Pflanzenbau, Agrikulturchemie und Bodenchemie genutzt werden.

Für den deutschen Raum repräsentativ ist ein Beitrag von Wiesemeier et al. (2020), der die C- Speicherung in landwirtschaftlichen Böden Bayerns als Untersuchungsziel hat. Zur Erhöhung der C-Gehalte werden Zwischenfruchtanbau und Agroforestsysteme vorgeschlagen. Anpassung an den öffentlichen polit-medialen Diskurs in den westlichen Industrieländern erscheint für diese Art von Vorschlägen  eine angemessene Beschreibung zu sein.

 Es gibt einen reichhaltigen Vorrat an wissenschaftlichen Kenntnissen in diesen Bereichen, die für eine Erhöhung des C-Gehalts in Böden genutzt werden können. Und noch besser, diese Kenntnisse wurden in einer Zeit gewonnen, als die Emission von Treibhausgasen nicht im Zentrum der Forschung stand, sondern hohe C- Gehalte im Boden zur Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit angestrebt wurden. Es gab dazu tatsächlich auch eine ausgeprägte interdisziplinäre Forschung und Kommunikation, die für das Thema, Erhöhung der Gehalte an organischer Substanz in landwirtschaftlichen Böden, unerlässlich war. Wer heute als Lehrstuhlinhaber für Bodenkunde kein Landwirtschaftsstudium absolviert hat, eher die Regel, denn die Ausnahme, wird sich mit der hier geforderten Interdisziplinarität mehr als schwertun.

Zwei der einflussreichsten deutschen Agronomen, Ernst Klapp aus Bonn und Gustav Könnecke aus Halle/Saale haben das Thema in ihren grundlegenden Lehrbüchern schon vor Jahrzehnten sehr viel detaillierter behandelt, als Minasmy et al. (2017) oder Wiesemeier et al. (2020). Der Kenntnisstand von Klapp und Könnecke ist vielen heutigen Bodenkundlern, national aber auch international, verloren gegangen. Eine Erhöhung des Gehaltes an organischer Bodensubstanz erreicht man durch regelmäßige Düngung mit Stallmist oder mit Kompost, präziser, die jährliche Applikation von 8 – 12 t Stallmist/ha führt zu einer jährlichen Anreicherung mit organischer Substanz in der Höhe von 0,022% (Klapp, 1967, S. 184). Die Bedeutung von Stallmist im Gegensatz zur Gülle, einem flüssigen organischen Düngemittel, haben auch Körschens et al. (2014) in Auswertung europäischer, langjähriger Feldversuche bestätigt. Die wenig differenzierte Aussage von 34 gegenwärtigen Bodenkundlern (Miasmy et al., 2017), daß organische Substanz pauschal die Corg- Gehalte erhöht, wird dadurch ernsthaft in Frage gestellt.

Dem Zwischenfruchtanbau, wie von Minasmy et al. (2017), Rumpel et al. (2018) und Wiesemeier et al. (2020) undifferenziert beschrieben wird. Es gibt mindestens drei Arten von Zwischenfruchtanbau, die sich in der zurückbleibenden organischen Substanz erheblich unterscheiden. Es kommt zusätzlich vor allem auf die Auswahl der Futterbau- Hauptfrüchte in der Fruchtfolge an. Könnecke (1967, S. 22) beschreibt im Vergleich zu den Zwischenfrüchten die hohen Mengen an Wurzel- und Stoppelresten, die durch mehrjährige Luzerne oder Rotklee-Grasgemenge- Hauptfruchtanbau im Boden hinterlassen und die dann zur Anreicherung mit organischer Substanz führen können. Ackerböden mit Luzern-Klee-Gras-Feldfutterbaujahren können Gehalte an organischer Substanz aufweisen, die 7-8% erreichen, während vergleichbare Böden ohne Feldfutterbau 2-5 %organische Substanz aufweisen (Klapp, 1967, S. 179). Weder Miasmy et al. (2017), Rumpel et al. (2018) noch Wiesemeier et al. (2020) erwähnen auch nur Hauptfruchtanbau mit Luzerne-Klee-Gras-Gemengen als Maßnahme zur C- Anreicherung im Boden.

Zu der ausführlichen Diskussion der Maßnahmen zur C-Speicherung im Boden, insbesondere der organischen Düngung und dem Hauptfruchtfutterbau siehe Gerke (2021; 2022).

Ist die Lücke, nicht nur in den drei erwähnten wissenschaftlichen Beiträgen von Minasmy et al. (2017), Rumpel et al. (2018) und Wiesemeier et al. (2020), auf Unkenntnis zurückzuführen, oder verbirgt sich mehr dahinter, z.B. eine Art vorrauseilender Gehorsam von Wissenschaftlern gegenüber einem polit-medialen Imperativ?

 Oertel et al. (2016) beschreiben, daß in Europa in den Jahren 2000 bis 2005 die terrestrische Treibhausbilanz im Wesentlichen ausgeglichen war. Lachgas- und Methanemission aus der Landwirtschaft wurden kompensiert durch die Kohlenstoffsenken Grünland- und Forstböden. Aber, die weitere Intensivierung der Landwirtschaft macht die Böden Europas zu einer Quelle von Treibhausgasen (Oertel et al., 2016, S. 328).

Was bedeutet dies?  Neben dem dominanten Treibhausgas Kohlendioxid führt die Intensivierung der Landwirtschaft dazu, daß die Europäischen Böden zukünftig (von 2010 aus gesehen) zu einer bedeutenden Quelle für Treibhausgasemissionen werden, besonders für Lachgas und Methan. Wie erfolgt dies?

Die industrielle Intensivierung der Landwirtschaft hat mehrere Aspekte, vor allem a. ein hohes und weiter steigendes Stickstoff (N)-Düngungsniveau, b. Einsatz immer größerer und schwererer Maschinen zur Bearbeitung, Einsaat und Ernte, c. Spezialisierung der agrarischen Produktion, vor allem die weitgehende Trennung von Ackerbau und Tierhaltung und d. die Ausweitung des Anbaus von Energiepflanzen wie Mais (zur Biogaserzeugung), Raps (Biodiesel) und Zuckerrüben (Biosprit).

Ein hohes N-Düngungsniveau, ein zentrales Charakteristikum der Intensivlandwirtschaft führt zu erhöhten Lachgasemissionen, besonders in Verbindung mit durch schwere Maschinen verdichteten Böden, da Lachgas ein Abbauprodukt des Nitratabbaus unter reduktiven Bedingungen ist und in die Luft abgegeben wird. Ein hohes N-Versorgungsniveau begünstigt auch die Methanentbindung aus Böden, da der mikrobielle Methanabbau in Böden durch hohe Nitratgehalte gehemmt wird.

Die Trennung von Ackerbau und Tierhaltung in der extrem arbeitsteiligen industriellen Landwirtschaft bedeutet auch, daß in den industriellen Ackerfruchtfolgen keine Futterbaujahre mit Luzerne-Klee-Gras eingefügt werden und damit die C-Abreicherung der industriell bewirtschafteten Böden betrieben wird. Angesichts dieser unstrittigen Fakten ist es nicht verständlich, daß die Beziehung zwischen industrieller Landwirtschaft und Treibhausgasemission nicht im polit-medialen und naturwissenschaftlichen Zentrum steht, wenn „Klimaschutz“ zentrales politisches Ziel sein soll. Eine andere Art der Landbewirtschaftung, die sich als Alternative darstellt, ist der organische Landbau, der Luzerne-Klee-Gras- Jahre, organische Düngung mit Mist oder Kompost und die Verbindung von Ackerbau und Tierhaltung zum Programm hat. So war jedenfalls die Zielsetzung durch seine Initiatoren. Allerdings hat sich der organische Landbau in den letzten Jahren eher in eine weniger nachhaltige Richtung entwickelt, die auch die Emission von Treibhausgasen aus den organisch bewirtschafteten Böden betrifft. Die Zertifizierung des organischen Landbaus begann in der EU in den 1990er Jahren, verbunden mit der Einführung von Subventionen für diese Art der Bewirtschaftung. Veränderungen in den „Öko-Richtlinien“ für den organischen Landbau in den letzten Jahrzehnten führen dazu, daß Subventionen auch an viehlose Betriebe fließen. Zudem ist es nach EU-Richtlinien für den organischen Landbau möglich, daß diese Betriebe auch organische Düngemittel wie Stallmist, Gülle oder Biogasgülle aus konventionellen Betrieben zukaufen dürfen. Das wiederum bedeutet, daß diese viehlosen „organischen“ Betriebe auf Fruchtfolgeglieder mit Luzerne, Klee und Gras verzichten können und auch tatsächlich verzichten. Statt 25-35% beträgt in solchen organischen Betrieben der Anteil vielfach weniger als 20 in einigen Fällen auch weniger als10 oder sogar 5%. Damit ist die Trennung von Ackerbau und Tierhaltung, von der industriellen Landwirtschaft herkommend, im organischen Landbau angekommen. Das wiegt umso schwerer, da ordnungsgemäße Fruchtfolge und Mischkultur den Ertrag des organischen Landbaus gegenüber dem konventionellen Landbau von fast 80 % auf knapp 90% steigern kann (Ponisio et al., 2015). Dem tatsächlichen organischen Landbau von heute kann man allerdings zugute halten, daß bis jetzt viele landwirtschaftliche Betriebsleiter an einer umfassenderen, nachhaltigeren Wirtschaftsweise festhalten, als die „Ökorichtlinien“ vorschreiben. Die politischen Randbedingungen führen zukünftig aber eher in eine Industrialisierung des organischen Landbaus. Es gilt heute noch die Einschätzung von Ghabbour et al. (2017) zur Intensivlandwirtschaft und zum organischen Landbau, daß nämlich der organische Landbau viele Maßnahmen verwirklicht, den Gehalt an organischer Bodensubstanz zu erhöhen, während der intensive, konventionelle Anbau eine wohlbekannte Quelle von Treibhausgasen ist. Welche Lehrstuhlinhaber in Deutschland hat öffentlich eine vergleichbare Aussage, wie die der US- amerikanischen Bodenchemiker gewagt?

Die industrialisierte Landwirtschaft ist für die Emission von Treibhausgasen so bedeutsam, daß diese im Zentrum der „Klimadiskussion“ stehen müsste. Es gibt offenbar mächtige politische Interessen, die wissenschaftlichen Untersuchungen und politische Regelungen dazu auf vielfältige Weise behindern und hintertreiben.

Literatur  

Batjes, N.H. (2016), Geoderma, 269, 61- 68.

Bolin, B. (1977), Science, 196, 613.

Bode, W.; von Hohnhorst, M. (1995): Vom Försterwald zum Naturwald. München.

Gerke, J. (2021), Agronomy, 11: 1079.

Gerke, J. (2022), Soil Systems, 6: 33.

Ghabbour, E.A. (2017), Adv. Agron., 146, 1- 35.

Hayes, M.H.B.; Clapp, C.E. (2001), Soil Sci. 166, 723- 737.

Jakobs et al. (2018): Landwirtschaftlich genutzte Böden in Deutschland- Ergebnisse der Bodenzustandserhebung. Braunschweig.

Klapp, E. (1967): Lehrbuch des Acker- und Pflanzenbaus. Berlin, Hamburg.

Könnecke, G. (1967): Fruchtfolgen. Ostberlin.

Körschens, M. et al. (2014), Arch. Agron. Soil Sci., 60, 1485- 1517.

Minasmy, B. et al. (2017), Geoderma, 292, 59- 86.

Oertel, G. et al. (2016), Geochemistry (Chemie der Erde), 76, 327- 352.

Ponisio, L.C. et al. (2015), Proc Biol Sci 282: 1396.

Rumpel, C. et al. (2018), Nature, 564, 32-34.

Stevenson, F.J. (1994): Humus Chemistry: Genesis, Composition, Reactions. Ney York.

Weber, J. et al. (2018), J. Soils Sediments, 18, 2665- 2667.

Wiesemeier, M. et al. (2020), Geoderma, 369: 11433.

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