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Die deutsche und die EU-Agrarpolitik kommen in der Krise an ihre Grenze

Bisher wird davon ausgegangen, daß sowohl die deutsche als auch die EU-Landwirtschaft besonders produktiv sind und daß durch bürokratische Regelungen die Landwirtschaft zusätzlich nachhaltig werden kann.

Diese politisch-bürokratische Perspektive, daß man technisch-biologisch-chemische Entwicklungen in der Landwirtschaft im Nachhinein nur bürokratisch zu regulieren braucht, um eine gewünschte Produktionsweise zu erhalten, ist in sich schon so inkonsistent, daß diese Auffassung einer ernsthaften Überprüfung nicht standhält.    Tatsächlich ist die Landwirtschaft schon jetzt extrem reguliert mit steigender Tendenz und ebenfalls wenig nachhaltig, mit steigender Tendenz. Dies wird im Folgenden erläutert.

Um überhaupt den Eiweißbedarf in Deutschland und der EU für die menschliche Ernährung decken zu können, müssen jährlich Sojabohnen importiert werden und zwar 7 Millionen Tonnen nach Deutschland als Sojabohne, Sojaschrot oder Sojamehl. Für die gesamte EU liegt der Wert bei 40 Millionen Tonnen. Ohne diese Importe würde die Versorgung mit Milch, Milchprodukten, Schweinefleisch, Geflügel und Eiern und damit mit Eiweiß zusammenbrechen. Das wird in denjenigen Organisationen, die den Status quo der Landwirtschaft wesentlich geprägt haben, möglichst ignoriert, gegebenenfalls auch das Gegenteil behauptet. So formuliert die Geschäftsführerin des „Forum moderne Landwirtschaft“ Frau Lea Fließ in einem Beitrag von Juli 2022 wörtlich: „Insgesamt aber können wir uns sehr gut selbst versorgen“.  Der Präsident dieses „Forums“ ist der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, der vieles unterstützt, aber sicher keine Bauern. Vizepräsidenten sind unter Anderem Vertreter von Bayer Crop Science und BASF. Auch Landwirtschaftskammern sind Mitglieder in diesem Verbund, was die Frage aufwirft, inwiefern die öffentliche Hand auch noch Ressourcen für diese Art der Desinformation bereitstellt.

Dazu kommt jetzt in der Ukraine-Krise, daß 15 Prozent des Weizens auf den Weltexportmärkten zukünftig fehlen könnten, oder zumindest deren Lieferung fragil ist. Und für die Weizen-Exporte in die EU und damit nach Deutschland kommt noch hinzu, daß es vollständig unklar ist, ob Russland nicht auf die EU-Sanktionen in der Weise reagiert, daß es die eigenen Getreideexporte in die EU reduziert oder sogar vollständig einstellt. In deutschen Medien wird berichtet, daß die zwei Prozent Marktanteil, die russischer Weizen hier hat, von geringer Bedeutung für den Markt wären. Diese Beschwichtigung ist vollständig unangebracht, weil geringe Schwankungen im Angebot erheblichen Einfluss auf die Getreidepreise haben und damit beispielsweise der Markt für die Mischfutterindustrie in den Grundfesten erschüttert werden kann.

Ein Teil der tierischen Erzeugung wird wieder exportiert. Dies wurde vor wenigen Jahren mit direkten Exportsubventionen durch die EU gefördert, was dazu beigetragen hat, in anderen Ländern die lokale, einheimische Nahrungsmittelproduktion zu unterminieren. Eine ausgeglichene Eiweißbilanz wird damit nicht erreicht, d.h. selbst wenn Deutschland auf den Export tierischen Eiweißes in Form von Fleisch und Milchprodukten verzichten würde, wäre der notwendige Sojabohnenimport nur im geringen Maße absenkbar.

Die Ukraine-Krise zeigt schon jetzt eins sehr deutlich: Die lokale, regionale Nahrungsmittelerzeugung ist für die EU und Deutschland so wichtig wie lange nicht mehr.

Was ist in den letzten zwei Jahrzehnten in Deutschland die politische Antwort auf die Forderung nach regionalen Stoffkreisläufen und regionaler Nahrungsmittelerzeugung gewesen?

Die wesentliche Veränderung im landwirtschaftlichen Anbau der letzten zwanzig Jahre in Deutschland bestand in der Etablierung von Energiepflanzen wie Mais und Raps auf rund 20 Prozent der Ackerfläche, d.h. der Selbstversorgungsgrad im Nahrungsmittelbereich wurde weiter abgesenkt. Die hohe Abhängigkeit in Deutschland von Nahrungsmittelimporten ergibt sich also aus den politischen Weichenstellungen in den letzten Jahrzehnten.

Landwirtschaftliche Flächen sollten in erster Linie der Produktion von Nahrungsmitteln dienen. Biogas-Mais und Raps für „Biosprit“ werden auf deutschen Äckern allein deswegen angebaut, weil der Biogas-Strom hoch subventioniert wird und weil es andererseits eine gesetzliche Zwangsbeimischung für Kraftstoffe gibt, also auch hier Subventionierung.

Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft enthält als wesentlichen Bestandteil einen möglichst hohen Anteil an Kreislaufwirtschaft für die Pflanzennährstoffe. Dies ist das direkte Gegenteil der Globalisierung der Nahrungsmitteldistribution. Besonders wichtig ist die Kreislaufwirtschaft für den Nährstoff Phosphor (P), einem mineralischen Hauptnährstoff der Pflanzen. Die Rohstoffreserven für P sind jedoch weltweit begrenzt und werden, je nach Berechnung, auf zwischen 30 und 120 Jahre geschätzt.

Deutschland hat im Durchschnitt sehr hoch mit P versorgte Böden. Dennoch wird durch die P-Rohstoffimporte und durch die Sojaimporte noch weiter P importiert. Das hat zur Folge, daß die schon hoch mit P versorgten Böden in den Ballungsgebieten der Tierhaltung, um große Anlagen herum und in Regionen wie Weser-Ems in Niedersachsen, weiter angereichert werden. Global, im Rahmen der weltweiten Ernährungssicherung wäre es dagegen wichtig, die knappen P-Reserven für die P-armen Böden vor allem der Tropen und Subtropen zu reservieren.

Am Beispiel des Phosphors zeigt sich, daß die Globalsierung der Nahrungsmittelkette nicht nachhaltig ist. Über die Knappheit von Metallen wie Kupfer oder Kobalt für die Produktion von  Elektromotoren gibt es einen gewissen Diskurs. Die Frage nach P und der Ernährung der Weltbevölkerung ist dagegen außerhalb von engen Fachkreisen nahezu vollständig vernachlässigt.

Wie könnte eine nachhaltige Landwirtschaft in Deutschland für die Zukunft aussehen?

Eine solche Landwirtschaft ist vorwiegend regional, sowohl bezüglich der Nahrungsmitteltransporte als auch der Pflanzennährstoffe.

Heißt dies, daß z.B. Spezialitäten aus Südamerika in Europa dann tabu sind? Sofern dies nur einen geringen zusätzlichen Transport bedeutet, ist das für die Nachhaltigkeit wenig relevant.

Die Forderung nach Regionalität bedeutet, daß die großen, überregionalen Stoffströme umgeleitet werden. Es gibt keinen Grund dafür, daß Milch und Milchprodukte über Tausende von Kilomentern vom Erzeuger zum Kunden transportiert werden, wie es auch keinen Grund dafür gibt, daß Ackerbau und Tierhaltung regional getrennt sind, daß z.B. in der Hildesheimer Börde kaum noch Nutztiere zu finden sind, während in der Region Weser-Ems so viele Schweine und so viel Geflügel gehalten werden, daß die schon überdüngten Böden weiter mit Nährstoffen angereichert werden. Interesse am Ausbau der Nahrungsmitteltransporte haben vor allem die Händler, allen voran der fast monopolisierte Lebensmitteleinzelhandel.

Und schließlich: Eine Landwirtschaft, wie die deutsche, die seit mehreren Jahrzehnten einen Stickstoff- (N) Überschuss in der Größenordnung von 100 kg N/ha über die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche ausweist, ist sicher nicht nachhaltig. Auf dem N-Überschuss basiert die Nitratanreicherung des Grundwassers, die Lachgas-Entbindung ebenso wie die Ammoniak-Ausdünstung in die Luft. Die Aufhebung der Trennung von Ackerbau und Tierhaltung  ist also ein unverzichtbares Instrument. Große spezialisierte Ackerbau- oder Tierhaltungsbetriebe sind die Gegenspieler von Ernährungssouveränität und Nachhaltigkeit. Solche Betriebe liegen nicht im Interesse bäuerlicher Familienbetriebe.

Leistungsfähig und auch potentiell besonders nachhaltig sind dagegen mittelständische, mittelgroße Gemischtbetriebe, die Bodennutzung und Viehhaltung verbinden. Diese meist als Familienbetriebe organisierten Höfe sind aber durch die Agrarpolitik der regierenden Parteien seit langem bedroht; – damit kein Mißverständnis aufkommt: zu diesen Parteien gehören in besonderer Weise, trotz ihrer Rhetorik die Vertreter der Partei „Die Grünen“.

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