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Die ostdeutsche Bodenpolitik seit der Wende

PD Dr. Jörg Gerke

Einführung

Die landwirtschaftliche Bodenpolitik nach der Wende ist der zentrale Faktor, der die Agrarstrukturen in Ostdeutschland bestimmt. Sie ist Voraussetzung für die Industrialisierung der ostdeutschen Landwirtschaft, aber auch für die Einführung der grünen Gentechnik in Deutschland. Im Jahr 2009 kurz vor dem Verbot des gentechnisch veränderten Mais MON 810 lagen mehr als 95% der beantragten Anbaufläche für diese Sorte in Ostdeutschland. Deswegen ist es erstaunlich, dass bei politischen Akteuren für eine andere Agrarpolitik in Ostdeutschland, auf Bundesebene oder EU- weit die ostdeutsche Bodenpolitik weitgehend ausgeblendet bleibt. Dies gilt von der ersten gemeinsamen Plattform von Verbänden wie dem BUND, AbL, Tierschutzbund und ökologischen Anbauverbänden von 2001 zu einer neuen Agrarpolitik (1) bis heute. Das sich in Deutschland nach der Wende immer mehr beschleunigende Bauernsterben, das Sterben des landwirtschaftlichen Mittelstandes, wurde und wird zuallererst durch die ostdeutsche Bodenpolitik organisiert und kontrolliert und von Ostdeutschland aus in die ganze Bundesrepublik exportiert. Erst diese Politik macht die Auswirkungen der EU- Agrarprämienzahlungen so brisant- 20% der Betriebe erhalten 80% der Agrarsubventionen, wobei der bäuerliche Betrieb weniger als 10.000 EUR/ Arbeitskraft erhält und der große ostdeutsche mit BVVG- und Landesflächen arrondierte Marktfruchtbetrieb bis zu 150.000 EUR je Arbeitskraft. Die geplante Sauenanlage in Alt Tellin, Vorpommern wäre nicht denkbar, wenn der anliegende 10.000 ha- Betrieb, eben auch arrondiert durch umfangreiche BVVG- und Landesflächen diesen Betrieb für Güllenachweisflächen zu Verfügung stellt. In einer kleiner strukturierten Landwirtschaft wäre dies nicht möglich (2). Und dennoch; – für fast alle Kritiker der Agrarindustrie ist die agrarindustrienahe ostdeutsche Bodenpolitik kein Thema. Dies kann zwei Gründe haben, zum einen Verstrickung einiger Kritiker in den agrarindustriellen Interessenzusammenhang, zum anderen Unkenntnis der Bodenpolitik. Die folgenden Ausführungen sollen diese Unkenntnis ein wenig beheben.

Repression gegen landwirtschaftliches Bodeneigentum in der SBZ und DDR Ausgangspunkt war die „Boden- und Industriereform“ in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Dabei wurden mehr als die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche der SBZ/DDR enteignet , von mehr als 7000 Betrieben mit mehr als 100 ha Nutzfläche und mehr als 4000 Betrieben unter 100 ha, in der Regel so genannte Großbauern (20- 100 ha). Die Flächen wurden zu mehr als 80% an 5- 11 ha große Neubauernhöfe verteilt, an Flüchtlinge aus den Ostgebieten, an Landarbeiter und Nebenerwerbsbauern. Die Bodenreform war der Auftakt für die ab 1948 durchgeführten Kampagnen gegen die Großbauern (3; 4; 5). Da viele der so gegründeten Betriebe an mangelnder Fachkompetenz der Bewirtschafter litten, oder für ein Überleben zu klein waren, gaben schon bis 1949 zwischen 15 und 25% der Neusiedler das Land an den Staat zurück (6). Damit wuchs also vor allem der Bodenpool des Staates. Dieser wurde vergrößert durch die kontinuierlichen Enteignungen von Bodenreformeigentum während der ganzen Zeit der DDR. Daraus ergab sich nach der Wende ein landwirtschaftliches Bodeneigentum von rund 1, 1 Millionen ha in der Hand der Treuhand und ab 1992 des Nachfolgers der Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft (BVVG). Diese organisierte und kontrollierte lange Zeit als bei weitem größter Verpächter und Verkäufer in Ostdeutschland den dortigen Bodenmarkt (7, Kapitel IV). Die BVVG ist dem Bundesministerium der Finanzen unterstellt, tatsächlich bestimmen seit der Wende die ostdeutschen Bundesländer den Umgang mit den Flächen. Die Rückgabe, auch die teilweise Rückgabe des Boden- und Industriereformeigentums an die Alteigentümer oder deren Erben wurde nach 1990 im Wesentlichen aus drei Gründen verhindert.

Es sollte der redliche Erwerb von Boden- und Industrieeigentum durch DDR- Bürger nicht rückgängig gemacht werden. Dies hätte nach 1990 zu einem noch größeren Rückstand in der Eigentumsbildung der ehemaligen DDR- Bürger gegenüber denjenigen aus den alten Bundesländern geführt. Diese Überlegung war sinnvoll und richtig, war jedoch kein Hauptmotiv der Politik aller Parteien, von PDS über SPD, Grüne, FDP bis zur CDU. Diese Befürchtung diente nur als Vorwand. Dies ist auch daran zu sehen, dass 1992 unter der Regierung Kohl viele Erben von Bodenreformland enteignet wurden, wiederum mit Zustimmung der Parteien, einschließlich der PDS (8). Die Enteignungen wurden unter teilweise entwürdigenden Bedingungen durchgeführt, in der vereinigten Bundesrepublik (9).

Die damalige CDU/CSU-FDP- Koalition hat immer wieder behauptet, dass die verweigerte Restitution des Bodenreformeigentums an die alten Eigentümerfamilien Bedingung der Sowjetunion zum Einigungsvertrag war. Die Sowjetunion hat eine solche Bedingung zu keinem Zeitpunkt der Einigungsverhandlungen gemacht (10; 11). Schäuble (12) hat dies 2010 in einem Interview selbst eingeräumt, obwohl er in den neunziger Jahren Mitglied der Bundesregierung unter Kohl und damit an der Argumentationslinie der sowjetischen Vorbedingung beteiligt war. Vermutlich wollte die Bundesregierung unter Kohl die Kosten der Vereinigung aus dem Verkauf der Immobilien der Boden- und Industriereform finanzieren. Spätestens ab 1991 war klar, dass die Treuhand dem Bundeshaushalt keine Nettoeinnahmen bringen würde, diese kostete den Bundeshaushalt bis 1994 rund 300 Milliarden DM (13). Werthaltig waren aber die land- und forstwirtschaftlichen Flächen. Sie waren langfristig der entscheidende Grund für die verweigerte partielle Restitution.

Die enteigneten Flächen der Bodenreformerben wurden in das Eigentum der ostdeutschen Bundesländer überführt. Die verweigerte Teilrückgabe und die Enteignungen der Bodenreformerben führten dazu, dass, regional unterschiedlich zwischen 35 und 55% der landwirtschaftlichen Nutzfläche Ostdeutschlands unter die Kontrolle durch den Bund (BVVG) oder die Bundesländer (Enteignungen nach 1992) kamen. Daß die Enteignungen nach 1992 agrarstrukturelle Gründe hatte, hat Stolpe , Ex- Ministerpräsident im Brandenburg 2004 in einem Interview ausdrücklich betont (7 S. 178, 179). Während nahezu zeitgleich der letzte Ministerpräsident der DDR, de Maizere 1991 vor dem Bundesverfassungsgericht das große Interesse der von ihm geführten DDR- Regierung betonte, die Bodenreform zu erhalten, war der tatsächliche Grund dieser letzten DDR- Regierung (CDU/SPD) die Verfügung über einen möglichst hohen Anteil der ostdeutschen landwirtschaftlichen Nutzfläche zur Steuerung der Agrarstrukturen, zur weitgehenden Verhinderung bäuerlicher Strukturen im Osten und zum Erhalt weitgehender Teile der DDR- Agrarstrukturen. Die vom letzten DDR- Ministerpräsidenten Lothar de Maizere immer wieder aufgestellte Behauptung, dass die letzte DDR- Regierung die Pflicht gehabt hätte, auf den Ergebnissen der Bodenreform zu bestehen ist unehrlich, und schätzt die damaligen Möglichkeiten dieser Regierung drastisch ein. Die DDR war spätestens Ende Juli 1990 zahlungsunfähig und damit nicht mehr in der Lage, Bedingungen für die Einheit zu stellen (10, 11). Wie aber hätte ein rationaler und moralisch akzeptabler Umgang mit den landwirtschaftlichen Flächen der Bodenreform nach 1989 ausgesehen? Der redliche Erwerb oder die gutgläubige Übernahme dieser Flächen durch die Neubauern und deren Erben wäre nicht in Frage gestellt worden. Aus pragmatischer Sicht wäre dies auch ein Beitrag zur breiten Eigentumsstreuung auf dem Lande in Ostdeutschland gewesen. Oder anders herum und etwas pointierter formuliert: Die ostdeutschen Landesregierungen haben auch beim Bodeneigentum die Verarmung von Teilen der Landbevölkerung in Kauf genommen, um die wenigen tausend ostdeutschen Großagrarier zu bedienen. Die im Bundesbesitz zur Wendezeit befindlichen ca. 1,1 Millionen ha landwirtschaftlicher Nutzfläche bei der Treuhand und später BVVG hätten bis zu 100 ha je Familie restituiert werden müssen. Dafür gab und gibt es drei zwingende Gründe:

a. Die Enteignungen begannen systematisch erst bei Betriebe über 100 ha. Bei kleineren Betrieben ging es um Ausnahmen (z.B. Nähe zum NS- Regime).

b. Es gab Dörfer in der SBZ mit landwirtschaftlichen Betrieben beispielsweise mit 98 ha und 102 ha. Ersterer wurde Anfang der neunziger Jahre in der Regel an die Erben zurückgegeben, letzterer blieb vollständig im Eigentum der BVVG, obwohl beide Betriebe sich durch nichts anderes als der Größe von 4 ha unterschieden. Das ist so absurd, dass die für diese Regelungen verantwortlichen Politiker einfach nicht in der Lage sind, diesen Sachverhalt zu diskutieren.

c. In einer Reihe von Fällen waren die Enteignungen bei Betrieben unter 100 ha in einem solchen Ausmaß durch üble Nachrede bedingt, dass selbst die damaligen Behörden (SMAD, KPD, SED) die vorgenommenen Enteignungen als Unrecht einschätzten. Die Höfe wurden aber nicht zurückgegeben, wenn diese schon verteilt waren, sondern die Familien erhielten andere Hofstellen zur Pacht (14). Damit blieben die selbst nach Maßgabe der damaligen Machthaber ungerechtfertigten Enteignungen bestehen, und dies auch über die Wende hinaus.

Eine Diskussion von Einzelfällen aus den obigen Kategorien 2. und 3. hätte die Frage der Restitution bis 100 ha mit noch größerer Dringlichkeit gestellt und wurde deswegen von allen politischen Parteien im Bundestag vermieden. Im Falle einer Restitution bis 100 ha wären fast alle landwirtschaftlichen Flächen der BVVG breit an private Alteigentümerfamilien gestreut worden. Die ostdeutschen Bundesländer hätten deutlich weniger Einfluss auf Agrarstruktur nach der Wende erhalten, und damit eine kleine Gruppe von Agrarkadern nicht in der erfolgten Intensität alimentieren können. Der Politikwissenschaftler Hans Willgerodt hat dies schon 1996 folgendermaßen formuliert:

„Die Rückgabe hätte die Unternehmerauswahl privatisiert und aus den Händen einer politisch dominierten Bürokratie in die Hände von miteinander im Wettbewerb stehenden Eigentümern übertragen. Politische Beziehungen alter und neuer Art wären weniger wichtig geworden als wirtschaftliche Kriterien. Tüchtige Landwirte hätten damit unabhängig von ihrer politischen Vergangenheit und Gegenwart eine Chance erhalten“ (13, S. 120).

Willgerodt hat damit schon 1996 die desaströse, wettbewerbsverzerrende und lobbygesteuerte Arbeit der BVVG vorweg genommen. Daß bis heute keiner der Agrarökonomen oder Agrarpolitiker an den Deutschen Agrarfakultäten die ostdeutsche Bodenpolitik angemessen beschrieben hat, dokumentiert den ideologiegesteuerten Ansatz vieler Agrarökonomen, die aber häufig in voller Unkenntnis ihrer eigenen Position diese als „ideologiefrei“ oder „objektiv“ charakterisieren (s. dazu 7, Kap. IX.). Ein Kartell zur Bodenverteilung in Ostdeutschland nach 1990

Die Flächen aus der Enteignung der Bodenreformerben nach 1992 wanderten in das Eigentum der ostdeutschen Bundesländer. Damit wurden nahezu ausschließlich in allen fünf neuen Ländern LPG- Nachfolger und Betriebsneugründungen von DDR- Agrarkadern mit Flächen zu äußerst günstigen Pachtpreisen ausgestattet. Aus diesem Pool kamen und kommen auch vielfach Flächenanforderungen für industrielle Mastanlagen. Der wettbewerbswidrige Zustand einer besonderen Unterstützung agrarindustrieller Strukturen mit Landesflächen hält bis heute an. Die ostdeutschen Länder agieren in der Verteilung ihrer eigenen landwirtschaftlichen Flächen noch einseitiger zugunsten der Agrargroßbetriebe, als bei den BVVG- Flächen, deren Behandlung wenigstens noch eine gewisse öffentliche Aufmerksamkeit erfährt.

Die Flächen in der Hand des Bundes, die landwirtschaftlichen BVVG- Flächen, wurden ab Anfang der neunziger Jahre erst kurzfristig verpachtet. Zu diesem Zeitpunkt existierten vor allem die LPGen, ihre Nachfolger und die Ausgründungen der DDR- Agrarkader, die fast ausschließlich Pachtverträge über die BVVG- Flächen erhielten. Die kurzfristigen Pachtverträge wurden erst auf 12 Jahre, dann auf 18 Jahre und schließlich auf 27 Jahre verlängert. Die entstandenen bäuerlichen Betriebe, rund 75- 85% der Betriebe, erhielten keine oder nur in geringem Umfang Pachtverträge. An der BVVG- Flächenverteilung hat sich bis auf wenige Ausnahmen bis heute nichts geändert. Die Pacht dieser Flächen ist mit hohen Pachtsubventionen verbunden. Auch 2010 lagen die Pachtpreise für alte Pachtverträge bei rund 150 EUR/ha, während am freien Markt mehr als das dreifache bezahlt wird. Die von der BVVG- Pachtung ausgeschlossenen Betriebe können auch keine BVVG- Flächen kaufen auch nicht zu Marktpreisen, auch nicht zu erhöhten Marktpreisen. Dies ergibt sich aus den folgenden Regelungen.

Im Jahr 1994 wurde das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) verabschiedet. Dies Gesetz wurde geschaffen, um a. die 1945 Enteigneten durch verbilligten Landkauf zu entschädigen und b. die Bauern in der DDR, die ab 1960 nicht mehr selbstständig wirtschaften konnten, ebenfalls durch den verbilligten Landkauf einen Ausgleich zu schaffen. Die beiden ausdrücklich genannten Ziele des EALG sind die Unterstützung von „natürlichen Wirtschaftspersonen“ als Wiedereinrichter und Neueinrichter (s. 7, Kap. IV.). In der Umsetzung wurden die Ziele des EALG vollständig in das Gegenteil gewendet. Der verbilligte Kauf von BVVG- Flächen wurde in sachfremder Weise an die langfristige Pachtung dieser Flächen geknüpft. Da aber die Pächter die DDR- Agrarkader in der überwiegenden Mehrheit waren, zusammen mit einigen westdeutschen DBV- Funktionären, wurden die Begünstigten in der DDR auch die Begünstigten beim verbilligten Landkauf. Die Unterstützung dieser Gruppen war das tatsächliche Ziel der DDR- Politiker, wenn diese davon sprachen, die Bodenreform zu erhalten. Die ursprünglichen Zielgruppen des EALG, die ostdeutschen Bauern und die Familien der Alteigentümer gingen fast vollständig leer aus.

Mindestens 12.000 ostdeutsche Nebenerwerbsbetriebe wären nach der Wende bei einer besseren Flächenausstattung in den Haupterwerb gewechselt. Zusätzlich hätte eine weitere fünfstellige Zahl von Bauern bei besserem Flächenzugang einen eigenen Betrieb neu gegründet. Damit wäre die ostdeutsche Landwirtschaft um mehr als 20.000 Haupterwerbsbetriebe bereichert worden. Die Bodenpolitik aller ostdeutschen Bundesländer nach der Wende stellt bis heute einen permanenten Kampf gegen bäuerliche Betriebsgründungen dar.

Die Beschreibung wird aber erst vollständig, wenn eine entscheidende Gruppe westdeutscher Akteure mit ihrem Wirken mit einbezogen wird.

In der DDR war bis 1989 die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) die offizielle Vertretung der Bauern. Diese war das Instrument der SED zur Verfolgung und Kriminalisierung der Großbauern in den fünfziger Jahren, der Kollektivierung bis 1960 und der Industrialisierung der Landwirtschaft (4; 6; 15). Ausgerechnet diese Organisation bildete für den Deutschen Bauernverband (DBV) nach 1990 die ostdeutschen Landesbauernverbände (7, Kap. II). Einige DBV- Funktionäre und auch Funktionäre befreundeter Verbände wurden reichlich mit Flächen aus dem BVVG- oder Länderpool bedient. Im Gegenzug setzt der DBV auf Bundes- und EU- Ebene jede Vergünstigung für die DDR- Agrarkader durch. Er hat es seit 1992 bei jeder Verhandlungsrunde über EU- Agrarprämien geschafft, eine Kürzung von Prämien für Großbetriebe zu verhindern.

Es verblieb nach Auslaufen des verbilligten Verkaufs von BVVG- Flächen noch ein Flächenumfang von ca. 400.000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche. Eine breite Streuung z.B. auf bäuerliche Betriebe zu verhindern, war in diesem Zusammenhang das Ziel der Bund/Länder- Einigung vom Januar 2010. Nach dieser Einigung haben die Pächter Vorkaufsrecht für bis zu 450 ha BVVG- Flächen. Damit wird auch für die meisten Flächen bis zum Ende der BVVG- Privatisierung eine breite Streuung verhindert werden. Außerdem müssten die Käufer, also auch die Agrarkader und die DBV- Günstlinge ab 2010 den vollen Marktpreis entrichten. Um beides zu verhindern, den Verlust von BVVG- Flächen über 450 ha hinaus und den Kauf zu Marktpreisen, wurde vom ostdeutschen Agrarkartell eine lange vorbereitete Medienkampagne in Gang gesetzt, bei der sichtbar wurde, in welchem Umfang auch nicht- landwirtschaftliche und auch überregionale Medien sich in Kampagnen des DBV einbinden lassen. Dazu sei auf einen Beitrag auf der AbL- Internetseite verwiesen (Gerke, Ausverkauf der ostdeutschen Landwirtschaft oder wer lockt die Investoren).

Die ostdeutschen Großbetriebe werden durch die mediale Lobbyarbeit des DBV/VdgB auf einen großmaßstäblichen Ausverkauf an externe Investoren vorbereitet, bei dem viele Medien aktiv Akzeptanz einwerben. Hatte der DBV schon 2007 durchgesetzt, dass die Bewirtschaftungszeit im Anschluss an den verbilligten BVVG- Verkauf von 20 auf 15 Jahre reduziert wurde, wollte dieser Verband am Ende 2010 die Bewirtschaftungsbindung von 15 auf 10 Jahre senken. Kapitalkräftige Investoren aus Westdeutschland und dem Ausland warten nur darauf, zu hohen Preisen große Betriebe zu kaufen. Monetäre Profiteure wären die jetzigen Eigentümer der Betriebe.

Beispiel: Angenommen wird eine GbR mit drei DDR- Agrarkadern in der Leitung, die nach der Wende aus einer in Liquidation gegangenen LPG sich die Sahnestücke von 1500 ha Ackerland, davon 700 ha BVVG- Flächen gesichert haben. Diese haben je Person 200 ha BVVG- Flächen verbilligt gekauft, beispielsweise 1996. Die Preise lagen in Mecklenburg-Vorpommern damals für den EALG- Kauf in den Gunstregionen von Nordwestmecklenburg bei unter 2000 EUR/ha. Wenn diese Eigentümer den gesamten Betrieb im Jahre 2011 verkaufen, dies ist möglich, weil die 15- jährige Bewirtschaftungszeit abgelaufen ist, so erzielen diese drei Verkaufspreise von über 20.000 EUR/ha. Die Differenz zwischen Flächenkauf- und Verkaufspreis liegt bei über 18.000 EUR/ha. Das bedeutet, dass der Deutsche Finanzminister allein aufgrund des BVVG- Verkaufs diesen drei Personen eine Subvention von über 10 Millionen EUR zubilligt.

Die gesamte Bodenpolitik der letzten 20 Jahre lässt sich in Ostdeutschland nur so interpretieren, dass die DDR- Agrarkader/DBV- Funktionäre als Leiter der ostdeutschen Großbetriebe gefördert werden sollten. Die Aufregung der ostdeutschen Politiker und der Journalisten, die sich vermeintlich dem Ausverkauf entgegenstemmen, ist unglaubwürdig. Es sind genau diese Politiker, die sich für den Verkauf, den sie in der Öffentlichkeit beklagen, tatkräftig einsetzen. Es sind auch genau die Journalisten, die seit mehr als 10 Jahren Sprachrohr der ostdeutschen Landesbauernverbände sind, die den Ausverkauf fördern.

Verbunden mit diesem Ausverkauf ist ein weiterer Schub der Agrarindustrialisierung in Ostdeutschland mit wenigen verbleibenden Einsprengseln bäuerlicher Landwirtschaft. Dieses von den ostdeutschen Landesregierungen angestrebte Ziel wird der Entwicklung der ländlichen Regionen den Todesstoß versetzen. Ohne eine grundlegende Wende der ostdeutschen Bodenpolitik ist keine bäuerliche Landwirtschaft in Ostdeutschland denkbar.

Literatur:

Gemeinsame Plattform von Verbänden aus Umwelt- und Naturschutz, Landwirtschaft, Tierschutz und Verbraucherschutz (2001): Auf dem Weg zu einer neuen Agrarpolitik in der Europäischen Union. Bonn und Hamm. Deutschlandradio Kultur vom 3.12. 2010. Schöne, Jens (2010): Die Kollektivierung der DDR- Landwirtschaft. In: Beleites et al., Klassenkampf gegen die Bauern. Berlin. Werkentin, Falco (1997): Politische Strafjustiz in der Ära Ulbricht. Berlin- Werkentin, Falco (2010): Klassenkampf auf dem Land, Zu den Methoden der Kollektivierung. In: Beleites et al., Klassenkampf gegen die Bauern. Berlin. Bastian, Uwe (2003): Sozialökonomische Transformationen im ländlichen Raum der neuen Bundesländer. Dissertation Freie Universität Berlin. Berlin. Gerke, Jörg (2008): Nehmt und euch wird gegeben. Das ostdeutsche Agrarkartell. Hamm. Der Spiegel (1998), Ausgabe 32, S. 58, 59. Purps, Thorsten (2009): Vom Staat enterbt. Die Bodenreformaffäre- eine Skandalchronik aus dem Land Brandenburg. Halle. Rechberg, Christoph (1996): Darstellung der internationalen und innerdeutschen Verhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands im Hinblick auf die Vorbedingung Restitutionsverbot. In: Rechberg, Restitutionsverbot. München, Landsberg/Lech. Paffrath, Constanze (2004): Macht und Eigentum. Die Enteignungen 1945- 1949 im Prozess der deutschen Wiedervereinigung. Köln, Weimar und Wien. Die Welt (2010), Ausgabe vom 21.8. 2010, Interview mit Günter Krause und Wolfgang Schäuble. Willgerodt, Hans (1996): Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Rückgabeverbotes. In: Rechberg, Restitutionsverbot. München, Landsberg/Lech. Kaiser, Jochen-Christoph (1996): Klientelbildung und Formierung einer neuen Kultur. Überlegungen zur Geschichte der Bodenreform in Thüringen. In: Bauerkämper, Junkerland in Bauernhand?. Stuttgart. Schöne, Jens (2008): Das sozialistische Dorf. Bodenreform und Kollektivierung in der Sowjetzone und DDR. Leipzig. Der Spiegel (2009), Ausgabe 45, S. 32, 33. Bastian, Uwe (2010): Die Folgen des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes als aktuelle Herausforderung. In: Beleites et al., Klassenkampf gegen die Bauern. Berlin.
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