„Regenerative Landwirtschaft“: unter diesem Namen und dem Deckmantel von Nachhaltigkeit bereiten die großen Nahrungsmittelkonzerne, Rohstoffhändler und der Lebensmittelhandel eine globale Neuausrichtung der Nahrungsmittelerzeugung vor!
Welche Bedeutung die „regenerative Landwirtschaft“ in Zukunft erhalten könnte, zeigt sich nicht an der Anzahl wissenschaftlicher Artikel zu diesem Stichwort, auch nicht an der Anzahl der gesendeten Beiträge dazu, zum Beispiel auf YouTube, sondern daran, welche wirtschaftlichen Akteure „regenerative Landwirtschaft“ antreiben und welche Kriterien mit diesem Begriff überhaupt verbunden sind.
Ein Schlüsselbeitrag dazu ist auf der Wirtschaftsseite Forbes.com am 19.08.2021 veröffentlicht, von J. Uldrich, einem „Forbes Council Member“ mit der merkwürdigen Zuschreibung „führender globaler Futurist“ (leading global futurist). Der Titel: „Regenerative Agriculture: The Next Trend in Food Retailing“ verrät schon, daß es um Handel und Vermarktung geht, nicht um Nachhaltigkeit.
Uldrich bringt einige interessante Zahlen dazu, welche globalen Firmen in Zukunft auf wieviel Flächen den Anbau von „regenerativer Landwirtschaft“ organisieren werden. General Mills:1 Millionen Acres, PepsiCo: 7 Millionen Acres, Cargill bis 2030:10 Millionen Acres, Walmart: 50 Millionen Acres, andere globale Nahrungsmittel Verarbeiter wie Danone und Unilever wollen auch in diesen Bereich gehen, noch ohne Flächenangaben. Ein amerikanischer Acre entspricht rund 0,4 Hektar. Um die Zahlen zur Entwicklung der „regenerativen Landwirtschaft“ einordnen zu können: Der langfristig gewachsene organische Landbau in den USA bewirtschaftete 2022 eine Flächen von rund 5 – 5,5 Millionen Acres, also weit weniger als ein Zehntel der geplanten Flächen für „regenerative Landwirtschaft“.
Das Problem der „regenerativen Landwirtschaft“ ist, daß diese Form der Landbewirtschaftung weder sicher bestimmt ist, und schon gar nicht definiert ist, was „regenerative Landwirtschaft“ ist.
Organischer Landbau ist im Gegensatz dazu recht präzise definiert durch den Verzicht auf mineralische Stickstoffdünger aus dem Haber-Bosch-Verfahren, dem Verzicht auf organische Pestizidwirkstoffe und in der Folge durch vielfältige Fruchtfolgen mit Leguminosen als zentralen Früchten, die damit auch Vielfalt in die Anbausysteme bringen.
Um die Frage nach dem, was „regenerative Landwirtschaft“ ist, zu beantworten, haben mehrere US-Wissenschaftler eine Literatur- und Internetrecherche durchgeführt. Sie sammelten 229 wissenschaftliche Artikel aus Peer-begutachteten Zeitschriften aus dem Zeitraum 1982 – 2019 über „regenerative Landwirtschaft“ (regenerative agriculture), weiterhin 25 „Praktiker-Webseiten, die sich mit „regenerativer Landwirtschaft“ befassen (Newton et al., 2020).
Die Auswertung der 229 Wissenschaftsartikel zeigt, daß es praktisch keine gemeinsamen Kriterien für eine „regenerative Landwirtschaft“ gibt. Die Autoren listen über 40 Begriffe auf, die zur Charakterisierung von „regenerativer Landwirtschaft“ herangezogen werden und zeigen, daß für die meisten der Begriffe zwischen zwei und 25 Prozent der Artikel diese Begriffe auflisten (Newton et al., 2020). Das bedeutet aber auch, daß im besten Fall mindestens dreiviertel der wissenschaftlichen Beiträge den jeweiligen Begriff zur Charakterisierung nicht heranziehen. Es gibt eine Ausnahme bei den von Newton et al. (2020) untersuchten Begriffen, der Begriff „Bodengesundheit“ (soil health) wird zur Charakterisierung in 40 Prozent der wissenschaftlichen Beiträge verwendet. Aber genau dieser Begriff selbst hat keine verbindliche Bedeutung oder ist sogar unsinnig, wenn bedacht wird, daß Gesundheit Organismen zugeordnet wird und der Boden kein Organismus ist. Ein sehr renommierter Bodenkundler, der sich schon lange mit der Nachhaltigkeit von Bodennutzungssystemen befasst, D. S. Powlson, hat in einem Beitrag zu „Soil health“ klargestellt, daß in wissenschaftlicher Hinsicht Bodengesundheit kein sinnvolles Konzept darstellt (Powlson, 2020). Und dieser Begriff hat immerhin in 40 Prozent der wissenschaftlichen Publikationen zur „regenerativer Landwirtschaft“ das Gemeinsame dargestellt, aber wurde von 60 Prozent der Artikel nicht erwähnt. Hier ist ein Vergleich zum Organischen Landbau nützlich. Auch für einige Vertreter des organischen Landbaus ist Bodengesundheit ein zentraler Begriff; dennoch taucht dieser, wenig fassbare und auch wenig aussagende Begriff in keinem Katalog zur Charakterisierung des organischen Landbaus auf. So zeigt sich auch hier die Beliebigkeit und Willkür der Umgrenzung „regenerativer Landwirtschaft.
Der Charme des „regenerativen Landbaus“ für die oben erwähnten Konzerne der Ernährungsindustrie liegt vermutlich gerade in der Beliebigkeit und Willkür. „Regenerativer Landbau“ so wie dieser heute darbietet, hat nichts mit Nachhaltigkeit, mit Kreislaufwirtschaft, mit effizienter Nutzung von Ressourcen zu tun. Das schließt nicht aus, daß einzelne Vertreter dieses Begriffs, Landwirte oder Konsumenten, sinnvolle und weiterführende Inhalte damit verbinden. Es ist jedoch absehbar, daß die dahinterstehenden wirtschaftlichen Kräfte mehr noch als beim organischen Landbau diese Form kompatibel machen und zuschneiden auf und für die globalen Konzerne der Nahrungsmittelkette, eben ohne Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft.
Literatur
Newton P. et al. (2020), What is regenerative agriculture? A review of scholar and practitioner definitions based on processes and outcomes. Front. Sustain. Food Syst. 4: 577723.
Powlson, D. S. (2020), Soil health- useful terminology for communication or meaningless concept? Or both? Front. Agr. Sci. Eng. 7, 246- 250.
Uldrich, J. (2021), Regenerative agriculture: The next trend in food retailing. Forbes.com, 19. 8. 2021.
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