Als ich 1980 im Rahmen meines Studiums der Agrarwissenschaften in Göttingen die Grundlagen der Tierernährung durch den damaligen Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Günther hörte, nahm dieser dabei klar zum Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung, vor allem in der intensiven Schweine- und Geflügelhaltung Stellung. Diese Verabreichung müsse massiv reduziert werden, ansonsten würde der Einsatz dazu beitragen, daß viele bakterielle Erreger in der Humanmedizin resistent gegenüber den eingesetzten Antibiotika würden.
Diese Prognose von 1980 hat sich bestätigt. In Deutschland erkranken jährlich fast 600.000 Menschen an Krankenhausinfektionen. Daran sterben jährlich zwischen 10.000 und 40.000 Menschen. Das Problem mit den Krankenhauskeimen ist deshalb so drängend geworden, weil die dafür verantwortlichen bakteriellen Erreger resistent gegen Antibiotika sind.
Ursache ist der übermäßige Einsatz von Antibiotika, deren häufige und andauernde Verabreichung zur Resistenzbildung der Erreger gegenüber den meisten Antibiotika geführt hat.
Der Einsatz der Antibiotika in der landwirtschaftlichen Tierhaltung macht dabei mehr als 50% des Einsatzes der Antibiotika insgesamt in Deutschland aus. Eigentlich ist nur der therapeutische Einsatz in der landwirtschaftlichen Tierhaltung erlaubt. Der Begriff wird aber unsanktioniert durch Veterinärmediziner so ausgelegt, daß tatsächlich große, industrielle Schweine- und Geflügelbestände regelmäßig und prophylaktisch mit Antibiotika behandelt werden. Auf den Tieren und nachher auf dem Fleisch werden so resistente Keime gezüchtet, die auch für die Infektionen in den Krankenhäusern verantwortlich sind. Die NGO Germanwatch hat im Oktober 2020 eine Untersuchung zur Belastung von Geflügelfleisch in Supermärkten in Europa vorgelegt. Ergebnis war, daß 50 % der Proben mit resistenten Keimen belegt waren.
Über das Fleisch, an denen die Erreger nach der Schlachtung haften, werden diese Keime zu den Konsumenten gebracht.
Nun sind nicht alle Antibiotika gleich, sondern es gibt bestimmte „Reserveantibiotika“, die bis jetzt noch bei einer Reihe von Erregern zur Bekämpfung eingesetzt werden können, wo andere Antibiotika schon versagen. Die industriellen Schweine- und Geflügelmäster aber setzen zunehmend diese Reserveantibiotika in der Haltung ein, ohne daß dies durch politische bzw. gesetzliche Regelungen unterbunden würde.
Ein Grund dafür ist wohl, daß um die Jahre 2012 bis 2014 Daten auch in den etablierten Medien etwas andiskutiert wurden, die zeigten, daß rund 70% des Antibiotikaverbrauchs in Deutschland auf die landwirtschaftliche Tierhaltung entfallen. Durch den Einsatz der Reserveantibiotika in der Landwirtschaft konnte der Verbrauch an Antibiotika dort insgesamt etwas zurückgeführt werden, da sie in ihrer Wirkung effizienter sind.
Es gibt ein Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), daß die Aufgabe hat, Gefahren und Mißstände zu bewerten. Und in der Tat finden sich auch noch heute auf der Seite des BfR die Ergebnisse einer Metaanalyse zu den Faktoren der Belastung von Schweinen mit Methicillin- resistenten Staphylococcus aureus (MSRA) Stämmen (Fromm et al., 2013, Faktoren der MRSA- Belastung in der Schweinemast). Methicillin ist ein Antibiotikum, Staphylus aureus ist ein Bakterium, daß Bestandteil der Krankenhauskeime ist und beispielsweise dort schwere Lungenentzündungen hervorrufen kann.
Die Ergebnisse belegen, daß die Belastung der Tiere (und damit auch des Fleischs aus diesen Tierbeständen) mit zunehmender Bestandsgröße der Mastbestände zunimmt. Bei kleineren Schweinebeständen sind nur rund 27% der Tiere mit MRSA infiziert. Dieser Wert steigt kontinuierlich mit zunehmender Herdengröße an und erreicht bei Beständen mit über 5.000 Mastschweinen einen Wert von 71 % MRSA-infizierter Tiere. Daß dieser Effekt auf den umfangreicheren Einsatz von Antibiotika zurückzuführen ist, belegt dieselbe Studie dadurch, daß in Öko- Schweinebeständen die Belastung bei nur 13% liegt, im Gegensatz zu 55% in konventionellen Beständen. In der ökologischen Landwirtschaft ist der prophylaktische Antibiotikaeinsatz tatsächlich verboten, was die geringe Belastung dort erklärt (s. auch die zugehörige Tabelle ostdeutsche-bodenpolitik.de vom 4.7. 2014). Fromm et al. haben ihre Ergebnisse später in etwas erweiterter Form in einer Zeitschrift mit intensiver Begutachtung veröffentlicht (Fromm et al., 2014, Prev. Vet. Med. 117, 180- 188).
Große Schweinemastbestände verstärken das Risiko der Ausbreitung von resistenten Keimen erheblich. Politische Folgerungen aus diesen eindrucksvollen Ergebnissen gibt es keine, die Schweinemastbestände werden immer größer. Deutschland ist Netto-Exporteur von Schweinefleisch, die Ausweitung des Exportes ist politisches Ziel. Und deswegen wird auch weiterhin der Einsatz von Reserveantibiotika in der Schweinehaltung möglich sein.
Eine solche Schweinehaltung, die auf die Zerstörung der Wirkung von Antibiotika in der Humanmedizin angewiesen ist, ist selbstverständlich nicht nachhaltig
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