Gegenwärtig gibt es eine gewisse Diskussion um die Landwirtschaft in Deutschland, nicht zuletzt angetrieben von den großen Traktor- Demonstrationen mit mehreren tausend Traktoren im letzten Quartal 2019; beispielsweise in Bonn oder Berlin organisiert von einer Bewegung „Land schafft Verbindung“.
Im Januar 2020 werden Kritiker der gegenwärtigen Agrarpolitik wieder unter dem Titel „Wir haben es satt“ in Berlin demonstrieren. Darunter werden sich auch 50 bis 150 Traktoren, Umweltverbände, Öko-Anbauverbände, weitere NGO´s und regelmäßig auch ein Block grüner Parteimitglieder befinden.
Die großen Traktordemonstrationen der Bewegung „Land schafft Verbindung“ stehen dabei eher für ein „weiter so“, obwohl das, genau betrachtet, für die überwiegende Mehrzahl der landwirtschaftlichen Betriebe wirtschaftlich nicht attraktiv ist. Die „Wir haben es satt“-Demonstranten wollen zwar auch die Agrarbeihilfen erhalten; sie fordern aber eine Umverteilung nach sozialen und ökologischen Kriterien.
Nun ist der Schulterschluss mit einer Partei für Interessensvertreter wie die der Umweltverbände immer bedenklich, weil es zu undurchsichtigen Verquickungen und in der Konsequenz zu Vetternwirtschaft führt. Das Problem der Agrarbeihilfen aber liegt in der Verzerrung des gesamten Systems der landwirtschaftlichen Produktion.
Auf der einen Seite haben wir landwirtschaftliche „Primärproduzenten“/ landwirtschaftliche Betriebe in einer Größenordnung von 200.000; auf der anderen Seite einen Lebensmitteleinzelhandel, bei dem vier oder fünf, vielleicht sechs Ketten in ganz Deutschland die Vermarktung der Nahrungsmittel kontrollieren. Ein Oligopol in der Vermarktung trifft auf eine sechsstellige Zahl von landwirtschaftlichen Betrieben! Die Marktmacht ist dabei eindeutig verteilt. Der einzelne landwirtschaftliche Betrieb hat kaum eine Chance, die Erzeugerpreise mitzubestimmen. Es sei denn, er vermarktet mindestens einen Teil seiner Erzeugnisse direkt über den Hof -. Aber ebenso wie die Politik nichts gegen die Konzentration des Lebensmitteleinzelhandels unternommen hat, wird durch Vermarktungs- und Hygienevorschriften die Direktvermarktung erschwert. Die landwirtschaftliche Direktvermarktung wäre ansonsten eine ernsthafte Konkurrenz des Lebensmitteleinzelhandels. Nun hat, angesichts der Traktoransammlungen, beispielsweise in Berlin oder Bonn, die Agrarministerin Klöckner betont, daß der Preis für Nahrungsmittel zu niedrig sei. Vermutlich meint sie, daß die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise zu niedrig seien und daß durch eine Anhebung der Preise für Endverbraucher die Erzeugerpreise ansteigen würden.
Eine ähnliche Argumentation setzte uns Herr Plasberg von der ARD in „Hart aber Fair“ im Jahr 2019 vor. In einer der Sendungen ging es um Fleischkonsum, artgerechte Tierhaltung und Mehrkosten. Die von Plasbergs Redaktionsteam vorgelegte These hielt sich entlang der Frage ob eine große Anzahl von Deutschen bereit wäre, für mehr „Tierwohl“ mehr Geld für Fleisch zu zahlen. Damit behauptete die ARD-Redaktion, ähnlich wie die Bundeslandwirtschaftsministerin, höhere Nahrungsmittelpreise würden aufgrund der höheren Erzeugerpreise entstehen.
Und schließlich, um zu belegen, daß diese Argumentation kein Einzelfall ist, sondern uns systematisch seit vielen Jahren von den etablierten Medien vorgesetzt wird, noch ein Blick auf die Situation im Jahr 2007. In jenem Jahr waren die wichtigsten landwirtschaftlichen Erzeugerpreise sehr hoch, nämlich die Preise für Getreide, Milch und auch Gemüse. Die Diskussion im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, aber auch in Medien wie der Süddeutschen Zeitung drehte sich darum, daß aufgrund der hohen Preise für landwirtschaftliche Rohstoffe die Bevölkerung in Ländern Afrikas hungern müsste.
Überprüfen wir einmal die Argumentation von Frau Klöckner, Herrn Plasberg und den öffentlich-rechtlichen Medien
Nehmen wir als Beispiel die Erzeugung von Bio-Rindfleisch, also Kühe, Ochsen, Färsen und Bullen aus ökologischer Haltung. Im Gegensatz zu konventionellen Betrieben werden Rinder im Öko-Betrieb eher artgerecht gehalten. Der Unterschied in der Artgerechtigkeit zwischen Öko und Konventionell gilt aber nicht generell, z.B. lassen die EU-Regelungen zur Öko-Hühnerhaltung Bestände von 3.000 und noch weit mehr Tieren zu – Haltungssysteme, in denen keine artgerechte Haltung mehr möglich ist.
Für Bio-Rindfleisch wird an den Erzeuger im Vergleich zu konventionellem Rindfleisch ein Mehrpreis von rund 0,5 €/kg Schlachtkörpergewicht gezahlt. Im Einzelhandel wird dagegen für Öko-Produkte aus Rindfleisch bis zu 40 €/kg mehr gezahlt, d.h. der Erzeuger erhält von diesem Bio-Aufschlag, zwischen 1,25 und 5 Prozent. Oder anders formuliert: Wenn nur der höhere Erzeugerpreis aufgeschlagen würde, so dürften beispielsweise 100 g Bio-Wurst nur 0,05 Euro mehr kosten, als konventionelle Wurst.
Für den tatsächlichen Mehrpreis sind in gewissem Maße die Verarbeiter verantwortlich; es sind aber vor allem die fast monopolistisch agierenden Lebensmittelketten, die Aufschläge im Bio-Bereich bis über 300 Prozent vornehmen. Und in der jetzigen Situation die Lebensmittelpreise wie vorgeschlagen zu erhöhen würde also nicht den landwirtschaftlichen Betrieben, sondern zu einem geringeren Teil den Verarbeitern und im Wesentlichen dem oligopolistisch organisierten Lebensmitteleinzelhandel zugutekommen: sie könnten die Handelsspannen mit Bioprodukten noch steigern.
Mit der Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel hat die Politik in den vergangenen Jahrzehnten alles getan, um dessen Marktmacht zu steigern. Es gibt hier keinen freien Markt mehr.
Und es geht noch absurder. Nach den hohen Milchpreisen 2007 fielen diese im Jahr 2008 auf Werte um 20 Cent/l, so daß der Bund deutscher Milchviehhalter (BdM) zu einem Milchstreik aufrief. Oder besser gesagt, der BdM-Vorsitzende teilte lediglich öffentlich mit, daß er die Milchablieferung einstellen würde. Ein Streik hätte Ermittlungen wegen Kartellabsprachen nach sich gezogen Merke: Wen sich 1.000 Bauern gegen einen niedrigen Milchpreis organisieren, könnte dies ein illegitimes Kartell sein, wenn aber der gesamte Lebensmitteleinzelhandel in einem überschaubaren Oligopol organisiert ist, ist dies kartellrechtlich unbedenklich.
Und hier verstärken die EU-Agrarprämien die Situation noch.
Die meisten landwirtschaftlichen Betriebsleiter bewirtschaften ihre Betriebe gerne und wollen dies auch in Zukunft weiter tun. Dem stehen die sehr niedrigen Erzeugerpreise für landwirtschaftliche Rohstoffe gegenüber, die eine rentable Bewirtschaftung erschweren Dies gilt nicht nur für kleinere Betriebe, sondern beispielsweise gerade für die großen, rationellen, ostdeutschen Ackerbaubetriebe, die teilweise Gewinne von unter 100 EUR je Hektar verwirklichen. Nur durch die Zahlung der Agrarprämien von rund 250- 300 €/ha wird gerade für diese Betriebe erreicht, daß sie Gewinne machen. Ohne Agrarprämien gäbe es diese Betriebe bei dieser Gewinnsituation nicht mehr. Das macht auch deutlich, daß externe, außerlandwirtschaftliche Investoren, die in Ostdeutschland vor allem große Betriebe aufkaufen, dies kaum aus Gründen der Kapitalrendite tun, sondern um damit sichere Anlagemöglichkeiten zu realisieren.
Die Agrarprämien stabilisieren also die landwirtschaftliche Rohstoffproduktion auf einem geringen Preisniveau. Wenn es diese Agrarprämien nicht mehr gäbe, so würden bei einem niedrigen Preisniveau viele Anbieter ihre Produkte vom Markt nehmen und die Preise aufgrund des zurückgehenden Angebotes steigen. Die Agrarbeihilfen hebeln den Markt aus; sie haben die Funktion den landwirtschaftlichen Erzeugerpreis niedrig zu halten. Dies gilt auch für die EU-Agrarbeihilfen, die zusätzlich für Öko-Betriebe gezahlt werden. Hiermit werden zusätzlich die Öko-Rohstoffpreise niedrig gehalten.
Deswegen sollte es Ziel einer zukünftigen Agrarpolitik sein, die EU- Agrarbeihilfen zu reduzieren oder besser, langfristig einzustellen. Für diese Forderung aber steht keine landwirtschaftliche Interessensvertretung auf. Die größte unter diesen, der Deutsche Bauernverband (DBV) hat seit Jahrzehnten eigentlich nur die Empfehlung für die Betriebe, zu wachsen, um den sinkenden Gewinn je Produkteinheit zu kompensieren. Und das bedeutet, daß der DBV auch für die Zukunft weitere Betriebsschließungen als Interessensvertretung nicht nur billigt, sondern aktiv fördert.
Andere Verbände wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft wollen zukünftig die Ausreichung von EU- Agrarbeihilfen an ein Punktesystem ökologischer und sozialer Leistungen knüpfen. Damit wird das entscheidende Problem der niedrigen Erzeugerpreise nicht angepackt, stattdessen ein neues, bürokratisches Monster geschaffen, bei dem dazu noch fraglich ist, ob es überhaupt eine ökologische und soziale Landwirtschaft fördern würde.
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