Eine verbesserte Unterstützung kleiner und mittlerer Betriebe sei Ziel der veränderten Agrarbeihilfen, so zumindest die Behauptung von Länderagrarministern, wie den Landwirtschaftsministern aus Bayern oder Mecklenburg-Vorpommern, die sogar formulierten, daß von der beschlossenen Agrarreform bäuerliche Betriebe profitieren würden. Im entsprechenden Textentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung heißt es, daß „…kleinen und mittleren Betrieben darüber hinausgehend eine verbesserte Förderung im Vergleich zu größeren Betrieben gewährt werden (soll)“. An anderer Stelle wird im entsprechenden Gesetzentwurf zur Umverteilung der Agrarbeihilfen nochmals formuliert: „…zusätzlich kleineren und mittleren Betrieben eine verbesserte Unterstützung zukommen zu lassen.“
Neue Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) auf der Basis des Gesetzentwurfes des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) lassen es zu, solche medial breit gestreuten Behauptungen zu überprüfen.
Tabelle 1: Direktzahlungen nach dem Gesetzentwurf 2014 im Vergleich zu den Auszahlungen 2013 bei unterschiedlichen Betriebsgrößen (Bundesdurchschnitt) (Quelle: Stellungnahme, AbL 12/2013, Auszug)
Betriebsgröße Auszahlung 2013 Auszahlung 2014 Veränderung
[ha] [€] [€] Gem. Entwurf [%]
15 5.144 5.028 – 2
30 9.788 10.056 +3
46 14.742 15.092 + 2
96 30.222 29.358 – 3
200 62.420 59.018 – 5
500 155.300 144.576 – 7
2000 604.180 572.364 -5
10.000 2.970.900 2.853.900 -4
Generell wird es über alle Betriebsgrößen hinweg lineare Kürzungen der Direktzahlungen geben. Deswegen werden, trotz einer gewissen Umverteilung, bis auf die Betriebe mit 30 und 46 ha Fläche alle anderen Betriebsgrößen weniger Zahlungen ab 2014 erhalten, wobei die relative Kürzung bei dem 500 ha Betrieb besonders ausgeprägt ist. Relativ gesehen, sind die Einbußen des 2.000 und 10.000 ha Betriebes mit 4% recht gering.
In die öffentliche Diskussion wurde dagegen hineingetragen, daß es eine substantielle Umverteilung gibt, eine Fehldarstellung, die im Gesetzentwurf des BMEL wieder auftaucht. Tabelle 1 zeigt, daß sich durch die vermeintliche „Reform“ an den EU-Agrarbeihilfen nicht viel ändert.
Was in Kern aber unangetastet bleibt ist die wettbewerbsverzerrende Wirkung der Direktzahlungen. Große Betriebe mit 2.000 ha oder mehr sind häufig Druschfruchtbetriebe. Sie können bei Ausschöpfung aller Rationalisierungsreserven (z.B. pflugloser Ackerbau bei hohem Einsatz von Herbiziden) mittlerweile 500 ha mit einer Arbeitskraft (AK) bewirtschaften, während auf Familienbetrieben beispielsweise mit 100 ha häufig 2 AK oder mehr arbeiten. Der Familienbetrieb mit 100 ha erhält je AK ca. 15.000 €, der 2.000 ha Betrieb mit 4 AK rund 140.000 € je AK.
Damit kann der 100 ha Betrieb in der Druschfruchtproduktion nicht mit einem 2.000 ha Betrieb konkurrieren, nicht aufgrund einer fehlenden Kompetenz in der Erzeugung, sondern aufgrund der selektiven Subventionierung des 2.000 ha Betriebes mit EU-Direktzahlungen. Daran ändert sich auch in der Periode 2014-2020 nichts (Tab. 1).
Dabei sind die EU-Direktzahlungen ursprünglich dazu gedacht, das landwirtschaftliche Einkommen an das anderer Bereiche anzugleichen. Diese Funktion haben sie schon lange verloren.
Zugunsten einer geringen Zahl von Großbetrieben vor allem in Ostdeutschland wird durch diese Form der EU-Direktzahlungen die bäuerliche Landwirtschaft zerstört. Und weil bäuerliche Landwirtschaft in einer öffentlichen Diskussion mittlerweile populär und positiv gesetzt ist, wird in der öffentlichen Diskussion so getan, als ob die neuen Beschlüsse eine Reform zugunsten bäuerlicher Landwirtschaft darstellen. Tatsächlich ist schon der Begriff „Agrarreform“ irreführend, es gibt keine Reform.
Die von der AbL errechneten Daten der Tabelle 1 stützen die Einschätzung, daß es ohne EU-Agrarbeihilfen heute mehr bäuerliche Betriebe gäbe, als mit.
Der Agrarwissenschaftler Hermann Priebe hat 1985 in seinem Buch „Die subventionierte Unvernunft“ dies schon frühzeitig diagnostiziert: „ In allen agrarpolitischen Machtkämpfen der letzten hundert Jahre wurde der Bauer vorgeschoben, um bestimmte Hilfen für die Landwirtschaft durchzusetzen, von der Osthilfe in den zwanziger Jahren bis hin zu den Subventionen von heute. Diese kommen der Masse kleinerer und mittlerer Betriebe am wenigsten zugute… Der Bauer wird praktisch betrogen, gerade noch am Tropf erhalten“ (Priebe, 1985, S. 209).
Was nach der Wiedervereinigung über Priebes Diagnose hinaus heute dazu gekommen ist, ist die Tatsache, daß die Profiteure der Agrarbeihilfen die ostdeutschen Großbetriebe sind. Die Agrarpolitik hat offenbar das Ziel, die kleinen und mittleren Betriebe in ganz Deutschland nicht mehr zu erhalten, sondern die bäuerliche Landwirtschaft in Deutschland weitgehend zu beseitigen. Dazu existiert seit mehr als 20 Jahren ein Beihilfesystem, bei dem die 20% der größten Betriebe 85% der Beihilfen erhalten. Zusammen mit der ostdeutschen Bodenpolitik, die wenige Großbetriebe geschaffen hat, wird die bäuerliche Landwirtschaft abgeschafft.
Da es keine Akzeptanz in der Bevölkerung für die Übersubventionierung der Agrargroßbetriebe in Deutschland gibt, die agrarpolitischen Akteure als Marionetten der Agrarlobby aber an den EU Agrarbeihilfen nichts ändern wollen, spielen sie das Theaterstück der großen Reform um das Publikum in der Illusion der Unterstützung bäuerlicher Landwirtschaft zu halten.
In der Zwischenzeit aber wird hinter den Kulissen mittels der EU-Agrarbeihilfen der bäuerlichen Landwirtschaft in Deutschland der Boden entzogen.
Rukieten, den 27.12.2013
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