Die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) in Ostdeutschland mussten sich nach der Wende umwandeln, um weiter wirtschaften zu können. Dazu gab es rechtliche Vorgaben, das Landwirtschaftsanpassungsgesetz in verschiedenen Fassungen. Die Eintragung der LPG-Nachfolger erfolgte dann durch die Registergerichte, die auch die Einhaltung der Vorgaben zu überprüfen hatten.
Der Verdacht, daß die LPG- Umwandlungen in vielen Fällen nicht rechtmäßig erfolgten, und daß auch das LPG- Vermögen nicht entsprechend den Vorgaben auf alle Mitglieder, den ausscheidenden und den im Nachfolgebetrieb verbleibenden, verteilt wurde, kam recht früh auf. Aus diesem Grund beabsichtigte 1995 die Bundesregierung CDU/CSU/FDP eine nochmalige Ermittlung des LPG-Vermögens zur Wende. Sie scheiterte damit nicht nur an der Opposition von PDS und SPD, sondern auch an den eigenen ostdeutschen CDU- und FDP- Landesverbänden, die sich einer dringend gebotenen Neubewertung widersetzten. Dies lag vermutlich daran, daß die ostdeutschen Landesverbände der CDU und FDP besonders im Agrarbereich mit Kadern der Block- CDU und der „Demokratischen Bauernpartei“ (DBD) einerseits und mit Kadern der LDPD durchsetzt waren, die ähnlich wie ehemalige SED- Funktionäre Lobbypolitik zugunsten der LPG- Nachfolger gegen bäuerliche Familienbetrieb machten.
Eine in Auftrag gegebene rechtswissenschaftliche Studie zu den LPG- Transformationen nach der Wende unter Prof. W. Bayer, Universität Jena, wurde 2002 abgeschlossen und im Rahmen eines Kolloquiums vorgestellt. Dier Ergebnisse waren spektakulär. Nahezu alle LPG- Nachfolger hätten von den zuständigen Registergerichten nicht eingetragen werden dürfen, da gravierende Mängel vorlagen. Zum Beispiel war dem Gesetzgeber bei der Formulierung des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes der Schutz der Landeigentümer besonders wichtig. Jedoch fehlte in rund 50% der Fälle die für die Eintragung notwendige Zustimmung der Landeigentümer.
Ein weiteres Ergebnis der Studie der Universität Jena war, daß die nach der Wende ausgeschiedenen LPG- Mitglieder (rund 85-90% der LPG- Mitglieder) in den meisten Fällen um ihre Vermögensanteile gebracht wurden. Dies führte kurz nach der Wende zu einer gravierenden Konzentration von landwirtschaftlichen und Immobilienvermögen in der Hand weniger.
Diese Defizite, letztlich aufgrund von gezieltem politischen und juristischem Versagen, sind heute meist verjährt.
Allerdings ein Ergebnis der Studie der Uni Jena wirkt bis heute nach. Ca. 11% der Umwandlungen sind nach höchstrichterlicher Rechtssprechung endgültig gescheitert, wobei der LPG- Nachfolger im juristischen Sinne nicht existiert und die LPG in Liquidation unerkannt weiter existiert. Die im juristischen Sinn nicht existenten LPG- Nachfolger haben EU- Agrarbeihilfen erhalten, haben, teilweise BVVG- Flächen nahe dem Nulltarif erworben, und dies auch in den letzten 11 Jahren, obwohl die verantwortlichen Politiker aller Parteien aus den 5 ostdeutschen Bundesländer und aus den verschiedenen Bundesregierungen die Ergebnisse der Bayer- Studie spätestens seit dem Kolloquium 2002 kannten.
Beispielsweise der sächsische SPD- Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Gerald Thalheim, war bei der Vorstellung der Bayer- Studie anwesend. Politiker wie Thalheim sind nicht allein für die Rechtsbrüche mit verantwortlich, sondern sie haben auch das Fortbestehen der fehlerhaft umgewandelten Nachfolgebetriebe auf das Spiel gesetzt.
Denn mittlerweile hat die Enquette- Kommission des Brandenburger Landtags unter der Initiative von Grünen und CDU auch die LPG- Transformation in Frage gestellt. Dazu hat Prof. Bayer für diese Kommission neuerlich ein Gutachten erstellt und die Ergebnisse von 2002 nochmals, gesondert für Brandenburg, referiert. Nach einigen Berichten in Brandenburger Tageszeitungen hat nun der ARD- Sender RBB im seinem Magazin „Klartext“ die Liste der endgültig gescheiterten Umwandlungen veröffentlicht.
Wie dramatisch die diese Diskussion mittlerweile von der SPD/Linken- Landesregierung eingeschätzt wird, zeigt deren Intervention, die dazu führte, daß die Ausstrahlung dieses Beitrags zweimal verschoben wurde. Damit wird es die Brandenburger Landesregierung künftig schwerhaben, durch Untätigkeit von diesem Problem abzulenken. Zu prüfen wäre, ob die Landesregierung nicht Beihilfe zur ungerechtfertigten Auszahlung von EU- Agrarsubventionen leistet und ob die BVVG- Verkäufe an einen juristisch nicht existierenden Käufer nichtig sind.
Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk wie der RBB, der an dieser Stelle kritisch über agrarpolitische Fehlentwicklungen berichtet und eine Opposition, die tatsächlich agrarpolitische Opposition ist, stellen die mit hohen Subventionen errichtete Brandenburger Agrargroßbetriebsstruktur in Frage.
Das Problem der endgültig gescheiterten Umwandlungen gilt für alle ostdeutschen Bundesländer. Dennoch verhalten sich die jeweiligen CDU- oder SPD- geführten Landwirtschaftsministerien so, als ob dieses Problem nicht existierte.
Hier ist, einmal mehr, Mecklenburg-Vorpommern wieder Spitze. Der Anteil der endgültig gescheiterten Umwandlung beträgt hier, unerreichte 15 Prozent.
Das ist aber kein Grund für den regionalen ARD- Sender, den NDR in Schwerin, dem Problem größere mediale Aufmerksamkeit zu geben. Auch von einer agrarpolitischen Opposition im Landtag ist nichts zu bemerken. Während die CDU hier mitregiert und der Landesvorsitzende des CDU- Landesverbandes der Bundeskanzlerin ein ehemaliger LPG- Abteilungsleiter ist, bilden Linke und Grüne in M-V die Opposition. Während bei der Linken vermutet werden darf, daß die Affinität zu den LPG- Nachfolgern ungebrochen ist, weiß man bei den Grünen nicht, ob die fehlende agrarpolitische Opposition in M-V seinen Grund in der agrarpolitischen Inkompetenz hat, oder ob einige Vertreter der Grünen im Landtag von M-V auch im ostdeutschen Agrarkartell verwurzelt sind. Jedenfalls fehlen in M-V wichtige Korrektive für eine wirkliche agrarpolitische Diskussion.
Rukieten, den 8.12. 2013
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