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PD Dr. Jörg Gerke

Die öffentlich diskutierten agrarpolitischen Vorstellungen in Deutschland weichen wenig voneinander

In der aktuellen Situation erhält Agrarpolitik wieder eine größere Bedeutung. Die fast nur in landwirtschaftlichen Fachmedien verbreitete Nachricht, daß Rußland und die Ukraine, beides bisher große Getreideexporteure, den Export von Weizen, Gerste, Roggen und Mais bis zur nächsten Ernte einstellen, unterstreicht dies.


Deutschland ist auf Importe von Nahrungsmitteln im großen Umfang angewiesen, nicht zuletzt weil rund 20 Prozent der Ackerflächen mit Energiepflanzen bestellt werden und weil für die Großmastanlagen hohe Mengen an Sojabohnenimporte für die Eiweißversorgung notwendig sind.

Was aber ist eine Agrarpolitik wie die Deutsche wert, die nicht einmal die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln nachhaltig sicherstellt.

Es gibt in Deutschland vermeintlich zwei agrarpolitische Extrempositionen: die der Partei Die Grünen und die des Deutschen Bauernverbandes (DBV).

Die Grünen haben in ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2017 zentral für den Bereich Landwirtschaft den Begriff Nachhaltigkeit verwendet. Der langjährige und aktuelle agrarpolitische Sprecher ihrer Bundestagsfraktion, F. Ostendorff verwendet häufig den Begriff „bäuerlich“ Und schließlich unterstützen die Grünen wie keine andere Partei den ökologischen Landbau.  Dort, wo diese Partei in den Regierungen den Agrarminister stellt, kann überprüft werden, ob Grüne Programme zur Landwirtschaft mit der tatsächlichen Agrarpolitik übereinstimmen.

Auf Bundesebene hat diese Partei von 2001 bis 2005 im Kabinett Schröder den Agrarminister gestellt (R. Künast), auf Landesebene stellen die Grünen seit mehr als einem Jahrzehnt eine Reihe von Landesagrarministern, zeitweise mehr als CDU, CSU oder SPD.

Die Bundesagrarministerin Künast hat, wenn von rhetorischen Floskeln abgesehen wird, drei  wesentliche agrarpolitische Entscheidungen vorangetrieben oder entscheidend mitgetragen.

  1. Die Einführung eines Biosiegels innerhalb der Europäischen Union (EU- Biosiegel).

  2. Den Verkauf der Bundeseigenen BVVG/Treuhand- Agrarflächen in Ostdeutschland fast ausschließlich an Großbetriebe.

  3. Die Umsetzung des Erneuerbare Energien Gesetzes (zusammen mit dem Grünen Umweltminister J. Trittin), einschließlich der umweltschädlichen Verstromung von Biogas aus Mais.

Alle diese Entscheidungen beförderten und befördern eine globalisierte und industrialisierte Landwirtschaft, die bei den Grünen als ökologische Landwirtschaft ausgeprägt sein soll. Von Unterstützung bäuerlicher Landwirtschaft kann keine Rede sein. Bei industrieller Ausrichtung der ökologischen Landwirtschaft gehen die wesentlichen Vorteile dieser Wirtschaftsweise zur Nachhaltigkeit verloren: die regional dominierte Kreislaufwirtschaft, der schonende Umgang mit Ressourcen und Energie, sowie die Vielfältigkeit der agrarischen Produktion und der Agrarlandschaft.

Daß die unter Künast verwirklichte Form der agrarpolitischen Förderung einer industriellen Großbetriebslandwirtschaft bis heute das tatsächliche, nicht das rhetorisch beschworene Ziel der Grünen Agrarpolitik ist, zeigt die Agrarpolitik der Grünen Länder-Agrarminister bis heute.

Zentral für die Grüne Agrarpolitik ist ein Papier der Bund-Länder-Agrarministerkonferenz von 2015 zur Bodenmarktpolitik, an dem sechs! Grüne Länderagrarminister beteiligt waren. Dieses Papier ist ein Plädoyer für die weitere geballte Verteilung ostdeutscher Ackerflächen an Großbetriebe und führt die Politik der ehemaligen Ministerin Künast auch noch heute weiter (s. ostdeutsche-bodenpolitik.de, Eintrag vom 29.3. 2015).

Und nicht nur in dieser Form der Bodenpolitik stehen die Grünen nicht weit vom Deutschen Bauern Verband (DBV), zu dem die ehemaligen Grünen Länderagrarminister Habeck oder Höffken mehr als nur gute Beziehungen pflegen.

Der DBV tritt spätestens seit der Aufnahme der ostdeutschen LPG- Nachfolger in die ostdeutschen DBV-Landesverbände für möglichst große, spezialisierte und industrialisierte Agrarbetriebe ein.

Die aktuellen Aktivitäten des DBV gehen dahin, die Begrenzungen des Einsatzes von Pflanzennährstoffen im Rahmen der Düngemittelverordnung möglichst weit abzuschwächen. Ähnliches gilt auch in der Lobbyarbeit des DBV für den Einsatz von Pestizidwirkstoffen, beispielsweise dem Totalherbizid Glyphosat oder bestimmten bienengefährlichen Insektiziden.

Im Rahmen der Düngemittelverordnung nimmt der DBV eher bürokratische Regulierungen als eine geringere Ausbringung bestimmter Pflanzennährstoffe in Kauf. Nun gibt es aber in viehreichen Regionen Deutschlands eine starke Überdüngung mit den Pflanzennährstoffen Stickstoff (N) und Phosphor (P). Bei Stickstoff liegen beispielsweise die durchschnittlichen Bilanzüberschüsse in Deutschland bei rund 100 kg N/ ha landwirtschaftliche Nutzfläche, in den Regionen mit einer hohen Konzentration industrieller Tierhaltung  noch weit höher. Dieser N- Überschuss wird letztlich als Nitrat (NO3–) ins Grundwasser, als Ammoniak (NH3) in die Luft und als Lachgas (N2O) ebenfalls in die Luft abgegeben. Alle drei N- Formen haben im Überschuss erhebliche gesundheitliche oder ökologische Nebenfolgen.

Wegen der Blindheit für solche Zusammenhänge hat sich der DBV zusammen mit Teilen der Landwirtschaft ins Abseits manövriert.

Die Lösung der Probleme, die der DBV anbietet ähnelt der der Grünen: eine immer weiter getriebene Bürokratisierung, Programmierung und Dokumentierung, ohne daß dies an den landwirtschaftlichen Problemen der Produktion und den Nebenfolgen etwas ändern würde.

Eine nachhaltige, zukunftsfähige Landwirtschaft wird nur in regional überschaubaren Betrieben möglich sein, die Ackerbau und Tierhaltung verbinden, vorwiegend als bäuerliche Familienbetriebe verfasst sind und in vielen Fällen ökologischen Landbau betreiben.

Diese Art von Betrieben finden sich weder in den industrialisierten und spezialisierten Ökobetrieben der Grünen, noch in den spezialisierten, industriellen Betrieben nach den Vorstellungen des DBV wieder.

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