Die ostdeutsche Bodenpolitik nach 1990 ist zentral für die agrarstrukturelle Entwicklung dort. Während von 1996 bis 2009 die BVVG im Osten gute, arrondierte Ackerflächen zu Preisen von 1000- 3500 €/ha vor allem an Großbetriebe verkaufte, lagen die Preise für vergleichbare Flächen auf dem freien Markt in Ostdeutschland um den Faktor 5 höher, in Westdeutschland um mehr als den Faktor 10 höher. Und letzteres auch nur wenn solche arrondierten Flächen überhaupt gehandelt wurden. Diese Form der Privatisierung durch die BVVG, immerhin lange Zeit der mit Abstand größte Bodeneigentümer in Ostdeutschland, war und ist für die Entwicklung der ostdeutschen Agrarstruktur genauso wichtig, wie die Verteilung der EU- Agrarbeihilfen. Grund genug für die agrarwissenschaftlichen Fächer „Agrarökonomie“ und „Agrarpolitik“ sich mit der ostdeutschen Bodenpolitik der letzten 25 Jahre ausgiebig auseinanderzusetzen. Bis auf Randbetrachtungen ist es jedoch für das Thema in diesen Disziplinen dunkel. In den letzten Jahren hat es zwei Arbeiten von Agrarökonomen aus dem von Thünen Institut in Braunschweig zur Rolle außerlandwirtschaftlicher Investoren auf dem Bodenmarkt gegeben. Diese beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit Ostdeutschland und ignorieren auch nicht gänzlich die Tatsache, daß nach 1990 die öffentliche Hand mit den Treuhand/BVVG- Ländereien und die ostdeutschen Bundesländer mit ihrem ausgedehnten Eigentum an landwirtschaftlichen Flächen der dominierende Verpächter und Verkäufer landwirtschaftlicher Flächen in Ostdeutschland war und ist. Aber, auf welchem Niveau bewegen sich die Studien des von Thünen Institutes? Dazu bedarf es keiner detaillierten Betrachtung der beiden Studien, es genügt, den Abschnitt zur BVVG der Zusammenfassung in der zweiten Veröffentlichung (Forstner und Tietze, 2013, Kapitalbeteiligung nicht landwirtschaftlicher und überregional ausgerichteter Investoren an landwirtschaftlichen Unternehmen in Deutschland, Thünen Report 5. Braunschweig) zu zitieren. Forstner und Tietze (2013) dazu wörtlich: „Die Privatisierungspolitik der BVVG prägt den Bodenmarkt in den neuen Ländern nach wie vor stark. Das von der BVVG angewandte Vergleichspreissystem zur Ermittlung der Kaufpreisforderung bei Direktverkäufen wird von Landwirten als Preistreiberei kritisiert.“ Das ist der nach Forstner und Tietze (2013) offenbar bedeutsamste Einfluss, den die BVVG auf die Aktivitäten außerlandwirtschaftlicher Investoren nimmt. Die BVVG betreibt danach „Preistreiberei“. Auch wenn die Arbeit dies „Landwirten“ in den Mund legt, so erscheint der vermeintliche Sachverhalt Forstner und Tietze zentral zu sein. Tatsächlich lässt sich jedoch belegen: I. Es gibt keine Preistreiberei durch die BVVG. II: Der Mechanismus, mit dem die BVVG den Ausverkauf der ostdeutschen Landwirtschaft fördert, wird von Forstner und Tietze (2103) nicht berührt.
I. Es ist in der Tat so, daß die Verkäufe landwirtschaftlicher Flächen durch die BVVG bis heute vorwiegend im Direktverkauf an die langfristigen Pächter erfolgt. Diese haben seit mehr als zwei Jahrzehnte diese Flächen zu subventionierten Preisen gepachtet, haben sie im Rahmen des EALG verbilligt zeitweise nahe dem Nulltarif erworben und haben auch im Rahmen der „Verkehrswertverkäufe“ von 2000 bis ca. 2007 umfangreiche Flächen sehr billig erworben. Diese Praxis konnte die BVVG aufgrund (schwacher) Interventionen durch die EU- Kommission nicht so weiterführen. Das Vergleichspreissystem hat zu einem Anstieg der Verkaufspreise im Direktverkauf geführt. Die Charakterisierung als Preistreiberei in diesem Zusammenhang ist abwegig, die Flächen werden immer noch nicht, zur Erzielung des Höchstgebotes im Rahmen einer Ausschreibung verkauft, sondern es wird ein anderer Preis bestimmt. Kein Pächter ist gezwungen, zum Vergleichspreis zu erwerben, er kann auch eine Ausschreibung fordern. Der Begriff der „Preistreiberei“ durch die BVVG ist also abwegig. Es zeigt den fehlenden Abstand der Autoren Forstner und Tietze zu den politischen Forderungen der Agrarlobby, insbesondere des Deutschen Bauernverbandes, der die Studie allein schon zu einer wenig wissenschaftlichen Studie macht. II. Vollends unbrauchbar wird diese dadurch, daß die wichtigsten Mechanismen, die den Einstieg nichtlandwirtschaftlicher Investoren in Ostdeutschland keine Rolle spielen. In welcher Weise nahm und nimmt die BVVG Einfluss auf die Aktivität nichtlandwirtschaftlicher und überregionaler Investoren? Die BVVG hat nach 1990 die landwirtschaftlichen Flächen in ihrer Verwaltung, anfangs weit mehr als 20% der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Ostdeutschland verpachtet. Erst kurzfristig, danach auf 12 Jahre, dann auf 18 Jahre und 2007 auf 27 Jahre verlängert. Pächter waren und sind vorwiegend Großbetriebe über 500 ha, LPG- Nachfolger, Ausgründungen von DDR- Agrarkadern oder Betriebe von westdeutschen Agrarfunktionären. Nur die langfristigen Pächter konnten BVVG- Flächen verbilligt im Direktverkauf erwerben. Dies gilt bis heute. Andere ortsansässige, bäuerliche Betriebe können bis heute nur für die wenigen BVVG- Flächen der Ausschreibungen mitbieten, sie sind von den Subventionen bei Kauf und Pacht bundeseigener Flächen ausgeschlossen. Ähnliches gilt für Flächen im Eigentum der ostdeutschen Bundesländer. Durch diese ostdeutsche Bodenpolitk wurde eine breite Eigentumsstreuung verhindert, hoch arrondierte große Betriebe geschaffen. Externe Investoren aber investieren besonders in Großbetriebe, nicht aber in den Erwerb von 20, 30 oder 100 ha großen Bauernhöfen. Deswegen gibt es den Ausverkauf der Landwirtschaft in Ostdeutschland, aber nur in geringem Ausmaß im Westen. Beispielsweise gehört es zum Geschäftsmodell der Aktiengesellschaft KTG-Agrar, mit über 30.000 ha vermutlich der größte externe Investor in Ostdeutschland, LPG- Nachfolger zu übernehmen und weiter zu bewirtschaften. Die vorangegangene Bildung von Großbetrieben durch die ostdeutsche Bodenpolitik war Voraussetzung für den externe Investor KTG Agrar. Dies ist in der „Studie“ von Forstner und Tietze nicht von Bedeutung. Wo aber gibt es im agrarökonomischen Diskurs Kritik an der Weise, wie Forstner und Tietze (2013) dieses agrarstrukturell so wichtige Thema bearbeiten? Diese Frage ist umso dringlicher, da Agrarökonomen den wissenschaftlichen Beirat im Bundeslandwirtschaftsministerium dominieren. Nach den eher marktliberalen Vorstellungen des wissenschaftlichen Beirats hätte dieser die bodenpolitischen Weichenstellungen in Ostdeutschland nach 1990 nachhaltig thematisieren müssen. Das versäumt zu haben, dokumentiert das Niveau agrarökonomischer Analyse in Deutschland Die Abschaffung, ja Zerstörung der bäuerlichen Landwirtschaft in Deutschland ist ein Vorgang, der nicht zwangsläufig ist und schon gar nichts mit einem „Marktgeschehen“ zu tun hat, sondern durch staatliche Interventionen wie den EU- Agrarbeihilfen und der ostdeutschen Bodenpolitik erst möglich wird. Die agrarwissenschaftliche Ausblendung der wichtigsten Aspekte der ostdeutschen Bodenpolitik, das Fehlen einer wissenschaftlichen Analyse in diesem Bereich bedeutet nichts anderes, als die unkritische Zustimmung zur Industrialisierung der Landwirtschaft.
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