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25 Jahre nach der Einheit – drei verantwortliche Akteure, Günther Krause (CDU), Gerald Thalhei

Von Günther Krause , CDU- Fraktionsvorsitzender in der letzten Volkskammer und DDR-Verhandlungsführer zum Einigungsvertrag 1990, handelt ein Beitrag in der Schweriner Volkszeitung vom 18. 9. 2015. Deutlich wird 25 Jahre nach der Einheit – drei verantwortliche Akteure, Günther Krause (CDU), Gerald Thalheim (SPD) und Ex-BVVG-Vorstand Horstmann versuchen sich zu rechtfertigen darin Krauses Bemühen, das Positive des von ihm verhandelten Einigungsvertrages herauszustellen. Hier ist eine Aussage von Krause zum Bodenreformland von besonderer Bedeutung. 

Das Bodenreformland sei nicht rückübertragen worden zum Schutz des privaten Eigentums von DDR-Bürgern. Dies sei eine Bedingung der DDR in den Verhandlungen zum Einigungsvertrag gewesen. Diese Darstellung ist aus zwei Gründen falsch. Zum einen wurden die Enteignungen im Rahmen der Bodenreform nicht deswegen beibehalten, um das Eigentum von DDR-Bürgern zu schützen. Dies zeigt sich an den ab 1992 in allen fünf neuen Bundesländern vorgenommenen massenhaften Enteignungen gerade der Neusiedler- Erben, die ihr Land ja gerade aus der Bodenreform erhalten hatten. Ist dies Krause oder dem Journalisten, der dies übernahm, unbekannt? Sicher nicht!

Mehr noch, der Beitrag über Krause stellt die Bodenreform als eine Vorbedingung der DDR für die Vereinigung dar. Die Politikwissenschaftlerin Constanze Paffrath hat in ihrer 2004 veröffentlichten Dissertation (Macht und Eigentum) gezeigt, daß die DDR spätestens im Sommer 1990 zahlungsunfähig war und deswegen die Bundesregierung unter Kohl um weitere Finanzierungshilfen gebeten hat. Die DDR war nicht mehr in der Lage Vorbedingungen für die Einheit zu stellen. Es war, wie Paffrath überzeugend gezeigt hat, die westdeutsche Bundesregierung, die die Restitution der Boden- und Industriereform selbst verhindert hat. Soweit zur nachträglichen Uminterpretation der Einigungsverhandlungen durch den DDR- Unterhändler, Günther Krause.

Fast noch realitätsvergessener sind die Äußerungen des ehemaligen Staatssekretärs im Bundeslandwirtschaftsministerium, G. Thalheim (SPD) aus Sachsen, der von 1998 bis 2005 dieses Amt innehatte. Thalheim, ein dezidierter Lobbyist der LPG-Nachfolger, wurde zusammen mit dem ehemaligen BVVG-Vorstandsmitglied, Horstmann interviewt (Agrar-Europe, vom 20.7. 2015).

Die Folgen der ostdeutschen Bodenpolitik waren das Thema des Interviews. Dabei war das einzig Neue, das Thalheim beizusteuern in der Lage war, die bemerkenswerte Aussage, daß Genossenschaften mit vielen Mitgliedern dem Ausverkauf an externe Investoren eher widerstehen würden.

Bedenkt man, daß unter den ostdeutschen landwirtschaftlichen Betrieben juristische Personen weniger als 20% der Betriebe ausmachen, daß weiterhin unter den juristischen Personen eingetragene Genossenschaften wiederum weniger als 20% ausmachen und daß Genossenschaften mit einer breiten Eigentumsstreuung in den Händen Vieler an zwei bis drei Händen abgezählt werden können, so wird die Irrelevanz der Thalheimschen Aussage sofort klar. Eine mögliche agrarpolitische Diskussion um die agrarstrukturelle Entwicklung in Ostdeutschland wird so im Kern zersetzt.

Und wenn dann Thalheim als auch Horstmann im Agrar-Europe- Interview beide aussagen, daß die BVVG-Flächen zu schnell privatisiert worden seien, so plädieren beide für landwirtschaftliches Eigentum in der Verfügung der öffentlichen Hand. Aber gerade die öffentliche Hand hat bei der Verpachtung der BVVG-Flächen versagt und korrupte Strukturen mit wenigen Profiteuren erzeugt. Wieso eine längere Privatisierungszeit hier zu positiveren Effekten geführt hätte, bleibt unverständlich. Und Thalheim und Horstmann sind zwei Akteure, die direkt für das Desaster der Bodenpolitik der öffentlichen Hand in Ostdeutschland verantwortlich sind.

Ex-BVVG-Vorstand Horstmann kommt wenigstens in die Nähe der Probleme, die die BVVG-Privatisierung landwirtschaftlicher Flächen in Ostdeutschland verursacht hat. Er kritisiert, daß nach 2007 die Direktverkäufe der landwirtschaftlichen Flächen der BVVG an die Pächter dominierte, also mehr als 80% der ostdeutschen Betriebe weiterhin von der BVVG-Privatisierung ausgeschlossen wurden. Wenn auch Horstmanns Kritik zutrifft, so zeigt sich hier ein bemerkenswertes Maß an Verdrängung der eigenen (Horstmanns) Verantwortung. Nicht nur, daß Horstmann als BVVG Vorstand wiederholt die Privatisierung der BVVG-Flächen zugunsten der Großbetriebspächter (LPG-Nachfolger, DDR-Nomenklaturkader und westdeutsche Agrarfunktionäre) als Strukturmaßnahme für zukunftsorientierte Betriebe ausgegeben hat ( mit dem absurden Argument also, daß die Großbetriebe durch die BVVG subventioniert werden sollten, weil diese so wettbewerbsfähig seien), die BVVG führte nah 2007 noch nicht einmal die von der Politik geforderten Pachtausschreibungen von 20% der BVVG-Flächen durch. Genau das, was Horstmann jetzt heftig kritisiert, lag damals in seiner Verantwortung.

Die dokumentierten Erinerungen von Krause, Thalheim und Horstmann werfen vor allem eine Frage auf: Wie konnten diese Personen in ihre für die Entwicklung der ländlichen Regionen Ostdeutschlands zentralen politischen und verwaltungstechnischen Positionen kommen?



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